Ueber Gott und die Welt
Zusammensetzung des jeweiligen Teilnehmerkreises. Nur einmal versuchte man von vatikanischer Seite, die Einladung des Theologen Johann Baptist Metz zu verhindern. Gadamer, Böckenförde und ich ließen den Papst wissen, dass wir das nicht hinnehmen könnten und dass die Tagung ausfallen müsste, wenn auf diese Weise Einfluss genommen würde. Der Einspruch wurde daraufhin fallen gelassen, und der Papst begrüßte Metz genauso herzlich wie alle anderen.
Hier nur ein kurzer Bericht über ein Gespräch mit Johannes Paul II. am Rande der Castel Gandolfo-Tagung. Deutsche Freunde, zur katholischen Kirche konvertierte Anthroposophen, hatten mich dringend gebeten, eine Äußerung des Papstes zu der Frage zu erbitten, ob man als Katholik an Reinkarnation glauben dürfe. Ich stellte dem heiligen Vater diese Frage am Rande der Tagung. Er schaute mich zunächst etwas lächelnd an und sagte: »Sie sind doch befreundet mit dem Kardinal Ratzinger. Was sagt der denn?« Ich gab aber nicht auf, meine Freunde wollten unbedingt gerne wissen, was der Papst selbst sagt. Daraufhin wurde er ernst und erörterte die Frage auf dem Hintergrund biblischer Aussagen und denen des Konzils von Konstantinopel. Er kam zu dem Schluss, dass die Lehre von der Reinkarnation mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar sei. Ich erwiderte darauf, dass für manche Menschen, die sich der katholischen Kirche zugewendet haben, die Reinkarnation eine Hintergrundüberzeugung ist, die sie nicht einfach von einem Tag auf den anderen ablegen können und wollen.
Meine Frau zum Beispiel war mit dieser Hintergrundüberzeugung aufgewachsen. Ihr Vater war Theosoph. Die Reinkarnationsüberzeugung bildete sich aber im Laufe der Zeit zurück, weil sie einfach keinen »Sitz im Leben« mehr hatte. Sie wurde bedeutungslos. Sie wurde, um mit Wittgenstein zu reden, zu einem Rad an der Maschine, bei dessen Drehung sich nichts mehr mitdreht. Kann man die Sache nicht diesem Prozess überlassen? Ist ein Katholik, der diesen Gedanken nicht ohne Weiteres ablegen kann, von den Sakramenten ausgeschlossen?
Die Antwort des Papstes verband doktrinäre Eindeutigkeit mit kluger pastoraler Zurückhaltung. »Ich kannte«, so sagte er, »einen Philosophieprofessor in Polen, der überzeugt war von der Reinkarnation im Sinne einer Verlängerung des Weges des Menschen zur ewigen Seligkeit. Er ging täglich zur heiligen Kommunion.« Kein Kommentar.
Und gerade deshalb war es eine Antwort. Johannes Paul II. wusste aber sehr wohl, dass sich beispielsweise bei Anthroposophen die Überzeugung von der Wiedergeburt verbindet mit dem Gedanken der »Allerlösung«, also dem Glauben, dass am Ende jeder Mensch das Ziel erreicht. Und er wusste auch, dass es konservative Kritiker gab, die dem Papst diese Häresie unterstellten.
So kam er von sich aus auf dieses Thema zu sprechen. Er sagte ungefähr: »Wie ist die Lehre von der ewigen Hölle, also die Lehre von der Gerechtigkeit Gottes, vereinbar mit seiner allmächtigen Güte?« Hier rekurrierte der Papst auf das thomistische Lehrstück über die Eigenschaften Gottes. Er sagte dem Sinne nach: Wir müssen Gott verschiedene positive Eigenschaften zuschreiben, so die Gerechtigkeit, so die Barmherzigkeit. Es sind dies für uns zwei verschiedene Eigenschaften. Ein Mensch kann die eine der beiden besitzen, ohne die andere zu besitzen. In Gott gibt es keine Pluralitätvon Eigenschaften. Sein Wesen ist einfach. Nur wir sehen das Licht gebrochen in die Regenbogenfarben. Das bedeutet: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind in Gott nicht zwei verschiedene Eigenschaften. Wir können uns aber die Identität dieser beiden Eigenschaften nicht vorstellen. Wir können sie lediglich denkend postulieren.
Was aber bedeutet das konkret? (Der Papst sprach übrigens deutsch.) »Es bedeutet«, so sagte er, »dass Gott am Ende jedem Menschen im Tiefsten seines Wesens gerecht werden wird. Und das ist sowohl seine Gerechtigkeit wie seine Barmherzigkeit.« Er beendete das Gespräch mit den Worten: »Viele Fragen, wenig Antworten.«
Eine andere kleine Begebenheit in Castel Gandolfo: Es war die Zeit, in der in der evangelischen Kirche und in der Friedensbewegung die Idee eines interkonfessionellen Konzils zum Thema Friede und Bewahrung der Schöpfung kursierte. Der Hauptsprecher dieser Bewegung war Carl Friedrich von Weizsäcker. Er nutzte eine Kaffeepause auf der Terrasse der Residenz des Papstes, um ihn für diese Idee zu gewinnen. Von der Mitwirkung der katholischen Kirche hinge
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