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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Gründen«, fuhr er fort. Er sammelte sich zu etwas, von dem er angenommen hatte, daß es erst nach ein paar Tagen erforderlich sein würde. »Oberstleutnant Tatjana Simonescu mag in mancherlei Hinsicht ein ausgezeichneter Offizier des Nachrichtendienstes gewesen sein. Sie hat dem Vaterland große Dienste erwiesen. Doch nun unternahm sie mit ihren Untergebenen in London eine sehr gefährliche und abenteuerliche Operation. Die westliche Gegen-Raswedka war ihnen auf die Spur gekommen. Eine Entlarvung hätte für Rußland aber zu einer politischen und ökonomischen Katastrophe geführt. In dieser schwierigen Lage sah ich keine andere Möglichkeit, in dieser schwierigen Stunde für unser Land, als einen westlichen Nachrichtendienst mit Informationen zu versorgen, die es mit sich brachten, daß die gesamte gefährliche und mißlungene Operation in aller Stille beendet werden konnte. Ich bin überzeugt, im Interesse des Vaterlandes gehandelt zu haben.«
    Die drei Richter starrten ihn intensiv an. Bemerkenswerterweise schienen alle drei recht deutlich zu zeigen, was sie dachten. Der jüngste, der Vizeadmiral, machte ein Gesicht, als akzeptierte er vorerst Jurij Tschiwartschews Standpunkt. Er nickte kurz und machte sich sorgfältige Notizen.
    Der Vorsitzende schnaubte laut und hörbar, verzog dann aber keine Miene mehr. Der Generalleutnant an seiner anderen Seite sah unsicher aus und blickte dann auf seine Papiere, um sich einige Worte zu notieren. Jurij Tschiwartschew wagte die zynische Vermutung, daß sein Leben vielleicht von der Entscheidung des ängstlichen Opportunisten abhängen würde.
    »Dann beginnt das Verhör des Höchsten Militärkollegiums erneut«, teilte der Vorsitzende mit. »Ich will Ihnen für den Anfang selbst einige konkrete Fragen stellen, Genosse General. Lassen Sie mich so anfangen. Ist es wahr, daß Sie die Namen von fünf unserer Operateure auf dem Territorium einer fremden Macht an einen westlichen Spion übergeben haben?«
    »Ja, das ist wahr«, erwiderte Jurij Tschiwartschew.
    »Nun, das ist immerhin ein Anfang«, brummte der Vorsitzende und trank einen Schluck Mineralwasser, bevor er fortfuhr.
    »Ist Ihnen auch bewußt, daß Ihr Handeln zum Tod unserer Leute geführt hat?«
    »Falls wir genau sein wollen, und ich setze voraus, daß dies die Absicht des Höchsten Militärkollegiums sein muß, wissen weder Sie noch ich in diesem Punkt etwas Genaues«, entgegnete Jurij Tschiwartschew. Ihm ging zu spät auf, daß er sich damit auf einen Weg begeben hatte, den er ebenso wie Larissa Nikolajewna vorher abgelehnt hatte. Doch die Worte waren heraus. »Was die vier Operateure unter dem Befehl Oberstleutnant Tatjana Simonescus angeht, so wissen wir nicht, ob sie noch am Leben sind, ob man sie hingerichtet hat oder ob sie übergelaufen sind«, fuhr er leicht gehetzt fort, da er möglichst schnell aus dieser Sackgasse hinauswollte. »Was Oberstleutnant Tatjana Simonescu selbst betrifft, wissen wir zwar, daß sie bei etwas gestorben ist, was wie eine perverse britische Sexübung erscheinen kann. Wir wissen aber nicht mit Sicherheit, ob ihr Tod mit ihrer Aufgabe als Offizier unseres Nachrichtendienstes in Zusammenhang steht.«
    Der Vorsitzende notierte etwas. Man sah seinen Handbewegungen an, daß er irritiert war. Doch dann überlegte er und kniff unwillkürlich die Augen leicht zusammen, als er fortfuhr.
    »Dann lassen Sie mich so fragen, Genosse General«, begann er mit fast gekünstelter Freundlichkeit. »Sie müssen doch erkannt haben, daß Ihr Handeln die direkte Ursache des Todes unserer Kollegen werden könnte ?«
    »Ja, selbstverständlich«, erwiderte Jurij Tschiwartschew schnell und erkannte, daß er damit die Sackgasse wohl hinter sich hatte. Der Vorsitzende nickte nämlich zufrieden.
    »Der Umstand, daß Ihnen bewußt war, daß Sie das Leben unserer Leute aufs Spiel setzten, hat Sie aber nicht davon abgehalten, ihre Namen an einen berüchtigten westlichen Spion weiterzugeben?« fragte der Vorsitzende langsam und übertrieben deutlich.
    »Abgesehen davon, daß ich mit Ihrer Terminologie nicht einverstanden bin, Genosse General, ist Ihre Schlußfolgerung korrekt«, erwiderte Jurij Tschiwartschew. »Admiral Hamilton ist aber kaum ein berüchtigter Spion .«
    »Ach nein?« fragte der Vorsitzende mit gespieltem Erstaunen. »Und wie würden Sie ihn gern bezeichnen?«
    »Als einen guten Offizier und als einen der geschicktesten Kollegen auf der anderen Seite«, erwiderte Jurij Tschiwartschew.
    »Mit

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