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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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er sich stellte, lautete, wie man das Hotel verlassen und betreten konnte, ohne den Haupteingang und die Fahrstühle zu benutzen. Es mußte einen besonderen Notausgang geben, etwa wenn ein Feuer ausbrach.
    Kriminalinspektor Carsten Johnsén wies schon die ersten leisen Anzeichen von Verzweiflung auf, obwohl er sich natürlich die größte Mühe gab, nichts von der vermuteten Schwäche zu zeigen. In einem kurzen Anfall von Galgenhumor sagte er sich, daß irgendwann jeder, der diesen beiden Vernehmern in die Hände fiel, am Ende alles gestehen würde, was man ihm vorwarf, damit man ihm nicht mehr zusetzte.
    Anna Wikström und Roger Jansson hatten sich sehr sorgfältig auf dieses Verhör vorbereitet, weil sie davon ausgingen, daß sie vielleicht nur eine Chance erhielten, wenn auch eine sechsstündige, denn danach mußte ein Festnahmebeschluß erwirkt werden, bevor sie fortfahren konnten.
    Sie stellten ihre Fragen abwechselnd. Sie hatten zwar keinerlei Absicht, den guten beziehungsweise bösen Bullen zu spielen. Das würde kaum funktionieren, wenn das Vernehmungsobjekt selbst Polizist war. Aber so konnte einer von ihnen von Zeit zu Zeit hinausgehen, um die Notizen durchzulesen, und anschließend wieder von vorn anfangen. Außerdem wollten sie sich natürlich den psychologischen Vorteil zunutze machen, daß sie immer wieder ganz von vorn beginnen konnten. Erfahrene Verbrecher können sich nicht mit dieser Art Verhör abfinden, gerade weil sie erfahren sind. Ihre persönlichen Erfahrungen brennen ihnen im Gedächtnis. Sie wissen, was es heißt, Stunde um Stunde dazusitzen und Fragen zu beantworten, die man schon hundertmal gehört hat. Es beginnt meist damit, daß der Vernehmer ein paar kleine Widersprüche entdeckt, über die dann immer wieder hartnäckig gesprochen wird. Dann folgt im allgemeinen die erste Lüge, und dann wird es immer schwerer zu widerstehen. Wenn der Beschuldigte dann plötzlich den Mund hält, ist es eigentlich zu spät. Vor Gericht würde ein solches Schweigen sehr merkwürdig erscheinen. Kein Vernehmer versäumt es, darauf hinzuweisen. Und wenn der Beschuldigte weiterredet, macht er es meist nur schlimmer.
    Carsten Johnsén war jedoch kein erfahrener Verbrecher. Im Moment war er noch nicht einmal offiziell vorläufig festgenommen. Dennoch blieb ihm keine Wahl. Er mußte die seelische Folter über sich ergehen lassen. Ein anderes Wort als Folter gibt es dafür nicht. Er war Polizist und wurde von zwei Spezialisten der Vernehmungseinheit bei der Reichsmordkommission vernommen, und diese verhörten ihn ohne jeden Zweifel so, als stünde er im Verdacht, mehrere Morde begangen zu haben.
    »Ich fürchte, wir müssen wieder von vorn anfangen«, sagte Roger Jansson mit einem müden ironischen Lächeln, während Anna Wikström hinausging, um eine Pause einzulegen. »Du bist Polizeibeamter und nachweislich bei zwei sehr speziell durchgeführten Morden anwesend gewesen. Das findest du nicht merkwürdig?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, knurrte Carsten Johnsén mit zusammengebissenen Zähnen und richtete seinen mächtigen Oberkörper demonstrativ auf. »Ich habe gesagt, daß ich dafür keine Erklärung habe.«
    »Aber du mußt doch über das Problem nachgedacht haben?«
    »Ja, natürlich. Aber ich war nicht der einzige Polizist an diesen Orten, weder in Umeå noch in Lund.«
    »Wir haben drei Opfer, die nichts weiter verbindet als die Tatsache, daß sie bezahlte Agenten der Säpo waren. Du hast die Möglichkeit gehabt herauszufinden, wer sie waren?«
    »Ja, vielleicht. Ich hätte vielleicht in Erfahrung bringen können, wer sie waren. Ich habe es aber nie getan.«
    »Alle drei sind mit einer militärischen Nahkampftechnik ermordet worden, die du an und für sich beherrschst?«
    »Ja und nein. Ich weiß ja nicht genau, wie sich das Ganze abgespielt hat. Einer dieser drei wurde totgeschlagen oder totgetreten, das hätte ich vielleicht selber machen können. Aber die beiden anderen? Ihr habt ja noch kein Wort darüber verloren, wie es sich abgespielt hat.«
    »Du bist Offizier der Fallschirmjäger.«
    »Ja.«
    »Zu dieser Ausbildung gehört auch der Umgang mit Messern, sozusagen die Kunst, mit einem Messer zu töten?«
    »Ja, natürlich. Fallschirmjäger sind so etwas wie Aufklärer. Wir sollen in erster Linie vermeiden, daß ein Feind uns entdeckt, in zweiter Linie jede Konfrontation vermeiden und erst in dritter Linie so leise wie möglich kämpfen. Ungefähr so.«
    »Du bist also durchaus fähig, mit einem

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