Über jeden Verdacht erhaben
Fälle, bei denen der Mann seine Ehefrau totgeschlagen hatte und dann ihre Lebensversicherung kassieren durfte (»Der Mörder, der sein Opfer beerben durfte«).
Politikern fällt es schwer, solchem Druck der Öffentlichkeit zu widerstehen. In den letzten Jahren der sozialdemokratischen Herrschaft in den achtziger Jahren wütete die konservative Opposition gegen diese Laschheit und diesen rücksichtsvollen Umgang mit Straftätern. Die Konservativen traten 1991 auch mit der Forderung zur Wahl an, dieser Laschheit endlich ein Ende zu machen. Damit kulminierte die schnelle geistige Genesung der Mörder, und diese Veränderung wurde auch kodifiziert, das heißt zu einem neuen Gesetz gemacht, und zwar 1992.
Dem neuen Gesetz zufolge kann man ein bißchen verrückt sein. Dann wird das »Persönlichkeitsstörung« genannt, was eine Gefängnisstrafe zur Folge hat. Wenn man sehr verrückt ist, nennt man es eine »ernste psychische Störung«, und dann kommt man nicht ins Gefängnis.
Aber noch immer entscheidet nicht die Wissenschaft. Im übrigen ist die Gerichtspsychiatrie keine objektive Wissenschaft. Immer noch ist es so, daß Verrücktheit bei Mördern eher politisch als medizinisch bestimmt wird.
Der Fall des Leutnants Flink stellte das neue Gesetz auf eine erste harte Probe. Dieser Mann war eines Tages offenbar verrückt geworden. Eines Nachts tötete er mit seinem automatischen Karabiner in Falun sieben Menschen.
In der Stunde, in der Mattias Flink tötete, war er natürlich zum Opfer einer »ernsten psychischen Störung« geworden. Darauf konnten sich Laien wie Gerichtspsychiater leicht einigen. Doch da er keinen verrückten Eindruck machte, als er vor Gericht stand, war es aus politischen Gründen nicht möglich, ihn nach dem geltenden Gesetz zu verurteilen. Das hätte nämlich zur Folge gehabt, daß das Gericht sich gezwungen gesehen hätte, ihn zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen und ihn mit sofortiger Wirkung auf freien Fuß zu setzen.
Dem Gesetz zufolge wäre ein solcher Beschluß einfach und logisch: Er war verrückt, als er die Taten begangen hatte, und aus diesem Grund durfte er nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Er war gesund, als er vor Gericht stand. Und in einer Demokratie kann ein gesunder Mensch nicht zur Einweisung in eine psychiatrische Anstalt verurteilt werden. Folglich Bewährungsstrafe und Freiheit.
Ein solches Urteil, dem Gesetz nach perfekt, hätte die sogenannte öffentliche Meinung niemals akzeptiert. Aus diesem Grund wurde sehr starker politischer Druck ausgeübt, um sicherzustellen, daß Mattias Flink gesund war. Die Abendpresse wollte ihn gesund sehen. Auch die Angehörigen der unschuldigen Todesopfer ließen über die Abendpresse ihren Wunsch sehr deutlich erkennen, daß man Flink für gesund erklären möge. Diesem kompakten Druck ließ sich nicht widerstehen, und folglich wurde der Mann zu Lebenslänglich verurteilt.
Dies war Carls Problem. Oder vielmehr war sein Problem ein spiegelverkehrtes Bild des Falls Mattias Flink.
Mattias Flink hatte ihm unbekannte junge Frauen umgebracht und war allein für seine Taten verantwortlich. Carl hatte Denunzianten der verächtlichsten Art getötet, die zudem noch Einwanderer waren.
Schon dieser Unterschied bewirkte, daß Carls eventuelle Geisteskrankheit bedrohlich näher rückte. Überdies konnte jedoch die Verantwortung für seine Taten auch außerhalb seiner Person zu suchen sein, beispielsweise bei der Regierung, die ihn mit den extremen Machtbefugnissen eines Säpo-Chefs ausgestattet hatte.
Und die Medien, die sich für berufen hielten, die öffentliche Meinung zu vertreten, begannen von einer Tragödie zu sprechen. Sie meinten damit Carl und nicht seine Opfer; die Medien heuerten ein Bataillon von Psychologen an. Diese sprachen davon, welch ein traumatisches Erlebnis es sein müsse mit anzusehen, wie die eigene Familie nach und nach von sizilianischen Mördern ausgerottet werde.
Es gab in der Bevölkerung keinen allgemeinen Wunsch, um einiger denunzierender Einwanderer willen einen Nationalhelden am Galgen baumeln zu sehen. So wie die öffentliche Meinung gewünscht hatte, Mattias Flink für geistig gesund zu erklären, ebenso angelegen schien es jetzt zu sein, Carl für vorübergehend verrückt zu erklären.
Dieser selbst hatte schon während des kurzen Haftprüfungstermins die Gefahr gewittert. Die Verhandlung hatte bemerkenswerterweise hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Er hatte vergebens gegen die
Weitere Kostenlose Bücher