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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nur darauf hinaus, daß es ein militärischer und legaler und sogar hochangesehener Job sein kann, andere Menschen umzubringen, etwa so, wie es bei den etablierten Mördern der sizilianischen Mafia in deren heimischem Umfeld der Fall ist. Denn genau das bin ich nämlich gewesen. Der Unterschied ist diesmal rein juristischer Natur, einen anderen gibt es nicht. Dafür erhalte ich zwar keinen Orden, sondern eine lebenslange Freiheitsstrafe, aber im übrigen ist alles gleich geblieben.«
    »Für wie extrem hältst du diese Auffassung?« fragte der Professor leise.
    »Sie ist sicher sehr ungewöhnlich«, sagte Carl, während er darüber nachgrübelte, ob er dabei war, sich mit seinen Worten ein wenig Verrücktheit in Form einer sogenannten Persönlichkeitsstörung an den Hals zu reden. »Doch das liegt daran, daß meine frühere Tätigkeit sehr ungewöhnlich ist. Aus diesem Grund haben nur wenige Menschen Anlaß gesehen, über diese Probleme nachzudenken. Möchtest du auf eine sogenannte Persönlichkeitsstörung hinaus?«
    »Nicht ohne weiteres«, entgegnete der Professor erstaunt und hob mit einer Art Eingeständnis die Augenbrauen. »Darf ich fragen, wie du in letzter Zeit deine Arbeit bewältigt hast?«
    »Aber gern«, erwiderte Carl. Er glaubte, die mit dieser Frage verfolgte Absicht zu durchschauen. »Ich habe sehr hart gearbeitet. Unter anderem habe ich eine umfassende Reform von Organisation und Ausrichtung der Sicherheitspolizei durchgeführt. Ich habe eine Menge Leute auf andere Posten versetzt und ebenso viele gefeuert, die sich als ungeeignet erwiesen hatten. Daneben habe ich Morde an sechs Personen geplant und verübt.«
    »Das deutet kaum auf eine Psychose hin«, bemerkte der Professor fast zu sich selbst.
    »Eben!« sagte Carl mit leichtem Sarkasmus. »Ich habe also weder geistige Verwirrung noch Gedankenstörungen an den Tag gelegt. Ich habe in letzter Zeit auch nicht unter Halluzinationen oder Wahnvorstellungen gelitten. Dann hätte ich nämlich weder meinen Job noch meine Nebentätigkeit als Verbrecher bewältigt. Dinge wie Delirium tremens, Alkoholneurosen, Abstinenz mit psychotischen Problemen und so weiter können wir wohl gleich streichen. Davon gehe ich jedenfalls aus.«
    »Du hast dich vor diesem Treffen offenbar recht gut vorbereitet«, bemerkte der Professor vorsichtig.
    »Natürlich«, erwiderte Carl. »Du befindest dich jetzt in der vielleicht ungewöhnlichen Situation, eine Person vor dir zu haben, die Gesundheit simuliert, um verurteilt werden zu können. Normalerweise dürfte es umgekehrt sein. Obwohl ich davon ausgehe, daß eine Simulation in beiden Richtungen gleich schwer ist.«
    »Ja, davon gehe ich ebenfalls aus«, erwiderte der Professor und machte sich eine kleine Notiz, durch die Carl sich nicht stören ließ. »Sag mal, darf ich dich etwas fragen?« fuhr er dann fort und blickte Carl ins Gesicht. Sein Blick schien vollkommen offen und frei von jeder Bosheit zu sein. »Bist du der Meinung, nach dem Tod deiner Frau und deines Kindes sehr deprimiert gewesen zu sein?«
    »Ja, selbstverständlich«, erwiderte Carl wachsam. »Jede andere Antwort wäre so unpassend wie unwahr gewesen, aber es hat sich nicht , dessen bin ich mir ziemlich sicher, um ›Depression ohne psychotische Symptome, aber mit Selbstmordgefahr‹ gehandelt, wie es in den Anweisungen des Zentralamts für das Gesundheits und Sozialwesen heißt.«
    »Du hast dich offensichtlich sehr genau informiert«, bemerkte der Professor mit ausdruckslosem Gesicht. »Kannst du aber ehrlich sagen, nicht an Selbstmord gedacht zu haben?«
    »Natürlich habe ich an Selbstmord gedacht. Wer hätte das in meiner Situation nicht getan?« entgegnete Carl schnell. »Ich habe mich aber mit Arbeit davor geschützt, Arbeit, die ich sogar als sehr wichtig ansah. Im übrigen habe ich – wenn wir schon bei gerade diesem Abschnitt in deinem Formular sind – keinerlei Neigung zu Kleptomanie, Pyromanie oder sexuellen Perversionen an den Tag gelegt.«
    »Nein, das wäre ja noch schöner«, sagte der Professor mit einem Lächeln. »Aha, du weißt jedenfalls, worauf ich aus bin, das ist vollkommen klar. Was aber ist, wenn man beispielsweise Kleptomanie gegen Serienmorde austauscht?«
    »Kleptomanie in Verbindung mit einer Psychose ist hier etwas völlig Irrationales«, sagte Carl nachdenklich. »Meine Serienmorde haben dagegen einen vollkommen rationalen Hintergrund gehabt. Ich weiß nicht, ob wir diesen Begriff verwenden sollten, aber vielleicht ist er

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