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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Orden verleiht, nicht auch verrückt ist.«
    »Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn du mich nicht in diese Auseinandersetzung hereinziehst«, sagte Carl mit einem feinen Lächeln. Er fand die Fragestellung akademisch bis an die Grenze der Parodie.
    »Nein, nein, natürlich nicht«, erwiderte der Professor schnell.
    »Das war nur eine allgemeine Überlegung. Erstens habe ich gar keinen wissenschaftlich haltbaren Anlaß, eine solche Argumentation aufzubauen. Zweitens ist es sozusagen sinnlos, die Gesellschaft für geisteskrank zu erklären, wenn du diese nachlässige Ausdrucksweise entschuldigst?«
    »Sehr gern«, sagte Carl und erhob sich mit der Selbstverständlichkeit des Admirals, um das Treffen zu beenden. Sie gaben einander zum Abschied herzlich die Hand.
    Der Markt reagierte sehr positiv auf die Nachricht, daß Carl Hamilton wegen begründeten Mordverdachts in sechs Fällen verhaftet worden sei. Die Zinsen sanken, und der Kurs der Krone stieg erstaunlich schnell.
    Erik Ponti knirschte mit den Zähnen, als er erfuhr, daß dies die wichtigste Nachricht des Tagesechos in den wichtigen Abendsendungen werden sollte. Mit der Entscheidung, das Wirtschaftsressort zu verkleinern, hatte man die Absicht verfolgt, ein paar Sendungen zu beseitigen und somit radikal Geld zu sparen. Jedenfalls war nicht beabsichtigt worden, daß die astrologischen Übungen dieser Leute an die Spitze der Nachrichtensendungen rücken sollten. Zumindest nicht mit dem Bierernst, wie es jetzt geschah; gegen eine ironische Darstellung des Themas hätte Erik Ponti nichts einzuwenden gehabt. Man hätte etwa zeigen können, daß »der Markt« aus nichts weiter bestand als einer kleinen Ansammlung völlig meschuggener Rechtsextremisten, die auf alles positiv oder negativ reagieren konnten. Die rund zweihundert Personen, aus denen dieser Verein zur gegenseitigen Beweihräucherung e. V. bestand, gingen wohl davon aus, daß sie alle anderen dazu bringen konnten, genauso zu reagieren wie sie. Massenmord oder Sparpaket. Hoppla, wir leben.
    Erik Ponti hatte nicht ohne Seelenpein Carls Aktentasche aufgemacht. Er hatte zwei Dinge versprochen, von denen das eine leicht zu verstehen war. Im Fall von Carls Tod sollte er die Aktentasche öffnen. Die zweite Anweisung war allerdings etwas geheimnisvoller, nämlich daß die Tasche geöffnet werden sollte, wenn Carl »zum Schweigen gebracht werde«.
    Als sie draußen auf Djurgården auf der Parkbank gesessen hatten, war diese Formulierung völlig unverständlich gewesen, was Carl auch eingeräumt hatte. Er hatte jedoch auch gesagt, daß die Zusammenhänge bald klarer werden würden. Erik Ponti hatte natürlich allerlei Vermutungen angestellt. Er wäre jedoch nie auf die Idee gekommen, daß man Carl wegen der Ermordung von sechs Informanten der Säpo verhaften würde.
    Beim Haftprüfungstermin hatte es einen unerhörten Ansturm der internationalen Presse gegeben und aus diesem Grund eine um so größere Enttäuschung, als ein nervöser Gerichtsassessor bekanntgab, der Haftprüfungstermin werde hinter verschlossenen Türen stattfinden. Erstaunte Juristen kommentierten dies sofort damit, daß sie den Grund dieser Maßnahme nicht verstehen könnten, ja nicht einmal ihre Legalität. Zumal es von seiten der Verteidigung gar nicht verlangt worden sei, diese Verhandlung hinter verschlossenen Türen stattfinden zu lassen. Der junge Wirtschaftsjurist, den Carl zu seinem Verteidiger bestimmt hatte, fand sich plötzlich vor den Kameras der großen Fernsehsender der Welt wieder. Er überbrachte die etwas schwammige Nachricht, daß Carl verhaftet worden sei und daß er selbst als Anwalt nichts von dem mitteilen dürfe, was hinter verschlossenen Türen stattgefunden habe. Er erklärte jedoch, er habe sich als Verteidiger bemüht, sich dieser Maßnahme zu widersetzen.
    Diese Situation hatte Erik Ponti so interpretiert, daß man Carl damit »zum Schweigen gebracht« habe, und danach hatte er die Aktentasche geöffnet.
    Das Material bestand hauptsächlich aus Dokumenten aus dem Archiv der Säpo. Sie beschrieben die Karriere der sechs Informanten sowie ihre »Leistungen«. Es war eine unerhörte Lektüre, denn sie erklärte ein System totaler Willkür und einen gelinde gesagt geheuchelten Glauben an die Fähigkeit der Informanten, korrekte Informationen zu liefern. Die Willkür wiederum hatte Hunderte von Menschen ebenso hart wie unerklärlich getroffen. In den Akten fanden sich lange Listen. Es fing an mit gesprengten

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