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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Halluzinationen. Die beiden hielten sich schließlich nicht mehr dort drinnen auf. Die Dunkelheit war wahr und paßte zu seiner Gemütsverfassung. Eine erleuchtete Allee und ein hell erleuchtetes Erdgeschoß wären als Anblick unerträglicher gewesen, so als wären die beiden noch da, als erwarteten sie ihn, als würde Tessie jetzt im Salon an der Seeseite sitzen und lesen oder vor ihrem Computer in dem neuen Arbeitszimmer im Obergeschoß sitzen, als würde sie jetzt seinen Wagen hören und herunterkommen, um ihn zu begrüßen; als würde Ian Carlos in seinem Kinderbett im Zwischengeschoß schlafen. Die Dunkelheit war besser, weil sie nicht log.
    Er fuhr den Wagen hinein, richtete den Sender auf das Stahltor und schloß es. Der Wagen rutschte ein wenig im Schnee. Auf dem Grundstück waren keine Wagenspuren zu sehen und auch keine Fußabdrücke von Menschen.
    Carl stellte den Wagen ab und nahm seine vollgestopfte Sporttasche vom Rücksitz. Das war der triviale Grund für seine Heimkehr – sein Vorrat an Hemden war aufgebraucht, und er mußte jetzt alle waschen und neue holen. Neben seinem Dienstzimmer auf Kungsholmen in Stockholm hatte er sich ein kleines Kabuff mit Kochnische zum Übernachten eingerichtet. Wären da nicht Hemden und Unterwäsche gewesen, die immer wieder gewaschen werden mußten, hätte er monatelang in seinem Dienstgebäude wohnen können. Er arbeitete gern nachts, wenn alle anderen nach Hause gegangen waren.
    Er schloß die Garage ab und schaltete die Alarmanlage ein. Dann ging er auf das Haus zu. Schnee schwappte ihm in seine Halbschuhe, grobkörniger Schnee, da es erst getaut hatte und dann wieder kalt geworden war.
    Das Türschloß klickte ungerührt und höflich, als er den Code eingab, als ob alles normal wäre, als ob nichts geschehen wäre. Er ging in die Dunkelheit hinein und schaltete die Alarmanlage aus. Dann gab er seine Fragencodes auf der Tafel neben der Alarmanlage ein und bekam eine Serie von Zahlen zur Antwort. Diese beschrieben die Bewegungen, die im Haus registriert worden waren, seit er es verlassen hatte. Bewegungen, die zu klein waren, um den Alarm auszulösen. Soweit er sehen konnte, hatten sich wie gewohnt einige Mäuse im Keller bewegt. Vielleicht hatten sich auch die Fledermäuse auf dem Dachboden bewegt und sich eine bequemere Schlafstellung gesucht. Ein großes warmblütiges Tier hatte sich in der letzten Zeit jedoch nicht im Haus aufgehalten.
    Carl ging in die Küche, ohne Licht zu machen. Er zählte seine Schritte sorgfältig, bevor er die Hand ausstreckte und genau den Türgriff erreichte. Ein leicht abgestandener Geruch schlug ihm entgegen. Er blieb stehen und schnupperte. Er kam zu dem Schluß, daß er irgendwo eine Milchpackung vergessen haben mußte. Die Milch war vermutlich sauer geworden und verschimmelt.
    Er ging zur Waschküche, machte die Tür auf und trat ein. Er wollte auch hier kein Licht machen, und das lag nicht nur daran, daß er gelernt hatte, die Dunkelheit als Freund zu betrachten, als eine zusätzliche Sicherheit. Er phantasierte davon, daß er hätte wählen dürfen. Blindheit oder das, was geschehen war.
    Er hätte sich dafür entschieden, blind zu werden, und dann ein gutes Leben führen können.
    Er verstaute die Wäsche in der Waschmaschine, immer noch ohne Licht. Doch als er den Deckel geschlossen hatte und die Hand auf den Programmierknopf legte, ließ er einen leisen Fluch hören. Er wußte nicht mehr, wie er zuletzt eingestellt gewesen war, und so konnte er nicht das richtige Programm in Gang setzen, ohne vorher Licht zu machen. Das Verdrängungsspiel war zu Ende. Er machte Licht und blinzelte, als ihn der plötzliche scharfe Lichtschein blendete. Dann sah er genau das, was er nicht hatte sehen wollen, wovor er sich gefürchtet hatte. Tessies Morgenmantel, auf den sie Kaffee verschüttet hatte, lag auf dem Wäschetrockner. Er hatte es nicht über sich gebracht, ihn wegzuwerfen. Wie er so dalag mit seinen frischen braunen Kaffeeflecken, als wäre es erst heute morgen passiert, gab er Carl in seiner menschlichen Alltäglichkeit zu verstehen, daß alles so sei wie immer, daß Tessie von ihm erwartete, daß er etwas gegen den Fleck unternahm. In dem roten Wäschekorb aus Kunststoff lagen einige Kleidungsstücke von Ian Carlos, ganz oben ein kleines Matrosenhemd.
    Carl nahm zuerst Waschpulver, dosierte und schob das Fach zu. Dann stellte er die Waschmaschine auf Buntwäsche und sechzig Grad ein und schaltete sie an.
    Während die Maschine

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