Über jeden Verdacht erhaben
Erik Pontis Tonbandgerät. Im Gegenteil: Von Zeit zu Zeit kam er auf eine frühere Äußerung zu sprechen und zog die Schraube noch etwas an. Etwa als er fast beiläufig darauf hinwies, daß die Tätigkeit der Sicherheitspolizei inhaltlich sehr viel politischer sei als die gewöhnliche Polizeiarbeit, wie sehr das im Lauf der Jahre auch geleugnet worden sei. Folglich könne es zu abrupten Kursänderungen kommen, je nachdem, wer eine Wahl gewann oder verlor.
Wenn man diese Erklärung, dachte Erik Ponti, mit der früheren Darlegung des bürgerlichen Eintretens für eine Jagd auf Moslems in Zusammenhang sah, sowie dem etwas späteren Hinweis, daß diese Tätigkeit jetzt fast zum Erliegen gekommen sei, eine der Erklärungen dafür, daß die Säpo habe sparen können, war das eine vernichtend interessante Information. Sie ließ entweder Sozialdemokraten oder Konservative als Idioten dastehen.
Es würde jedoch einige Mühe erfordern, diese Quintessenz ohne allzu viele Schnitte herauszufiltern, und Erik Ponti konnte nur hoffen, daß unter den Studenten jemand schlau genug war, zu diesem Thema ein paar halbwegs direkte Fragen zu stellen, damit Hamiltons Antworten sich für eine Rundfunksendung besser eigneten als sein allgemein gehaltener Vortrag.
Erik Ponti hatte in seinem Notizblock zahlreiche Bemerkungen darüber hingekritzelt, wo sich auf dem Tonband die verschiedenen Puzzlestücke befanden. Er erkannte resigniert, daß es viel Zeit erfordern würde, etwas Klares und Vernünftiges zustande zu bringen; schlafen konnte er zwar im Flugzeug nach Moskau, doch seine Pläne, spät am Abend seine Familie zu treffen, gingen jetzt schnell in Rauch auf. Er hatte in dieser Richtung einige vage Versprechungen gemacht und hörte schon, wie es dann heißen würde, er habe es »versprochen« und breche jetzt wie gewohnt seine Zusagen.
Hamilton beendete seine Einleitung, indem er nochmals an die Frage der Verfolgung von Moslems durch die Säpo anknüpfte. Er halte diese Politik nicht nur für Geldverschwendung und operative Stümperei, sondern sie bringe auch die Gefahr mit sich, der Stellung einer großen Minderheit in der Nation zu schaden.
Damit breitete er die Arme aus und sagte, jetzt sei er bereit, Fragen zu beantworten.
»Wer hat in der Frage der russischen Nerze recht, Ingvar Carlsson oder Carl Bildt?« fragte eine Studentin, die direkt neben Erik Ponti saß.
Während sich lautes Kichern und ein plötzlich lauteres und ungehemmteres Lachen im Saal legte, antwortete Hamilton mit einem langen, nachdenklichen Blick und demonstrierte seine Einstellung dann mit einem lauten Seufzen, das die Heiterkeit der Zuhörer noch steigerte.
»Ich bin wirklich der Meinung«, begann er langsam, »daß es außerordentlich unpassend wäre, wenn ich mich auf diese Diskussion einließe. Erstens habe ich, wie ihr vielleicht wißt, in der besonderen nachrichtendienstlichen und Analysegruppe der Kanzlei von Ministerpräsident Carl Bildt gearbeitet. Und in meiner dortigen Funktion habe ich recht oft nach Moskau reisen müssen, um über U-Boote Gespräche zu führen. Ohne ins Detail zu gehen, kann ich jedoch sagen, daß bei den Gesprächen in Moskau nur sehr wenig über Nerze gesprochen wurde, obwohl es tatsächlich vorgekommen ist.«
»Waren es denn russische Nerze?« fragte die Studentin in einem Augenblick, in dem es aussah, als wüßte Hamilton nicht recht, wie er fortfahren sollte.
Jetzt wurden sie, was nicht unerwartet kam, mit lautem Gelächter im Saal belohnt. Sogar Hamilton zeigte ein schwaches Lächeln, als er mit einer Geste zu erkennen gab, daß er die Pointe akzeptierte.
»Ich bin absolut davon überzeugt, daß es sich um schwedische Nerze gehandelt hat«, erwiderte er. »Wahrscheinlich handelt es sich in noch nicht ermittelten Anteilen um teils wilde und teils bedauerlicherweise freigelassene Tiere von Nerzfarmen. Da haben wir sogenannte Veganer im Visier, die sich mit Kapuzen tarnen und die Nerze freilassen. Wir bei der Säpo arbeiten an dem Problem, doch das Material ist leider geheim.«
Die Stimmung war plötzlich leichter geworden und ähnelte allmählich einem ganz gewöhnlichen Studentenabend. Folglich gab Erik Ponti seinem weiblichen Strohmann jetzt ein Zeichen. Die Studentin sollte versuchen, seine Frage zu stellen. Doch sie kam nicht dazu, da Hamilton gleich weitersprach. Er hatte nur gewartet, bis das Gelächter sich legte.
»Wenn wir uns mit der Frage der Nerze oder der U-Boote etwas ernster befassen wollen, kann ich
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