Über jeden Verdacht erhaben
hatte die Aufsätze nach Linköping gefaxt, die er nach seiner Untersuchung vor zwei Jahren in verschiedenen internationalen Zeitschriften veröffentlicht hatte, und danach war sein Kollege in Stockholm, der sich um die Leiche aus Västerås hatte kümmern müssen, seinem Rezept gefolgt. Man hatte den Toten gehäutet und in der Muskulatur nach einem Nadelstich gesucht und diesen auch gefunden, nämlich in einer Hinterbacke. Rune Jansson ahnte zumindest, daß der lateinische Ausdruck ganz einfach Hinterbacke bedeutete.
Man hatte ein sogenanntes Präparat genommen, ein Stück Fleisch um den Einstich herum herausgeschnitten und aufgehoben. Anschließend war der Leichnam den Angehörigen zur Beerdigung übergeben worden.
Als problematisch hatte sich erwiesen, daß bei den Tests auf Curare sämtliche Proben negativ gewesen waren. Und bei jedem Test war wieder ein Stück des einzigen verbliebenen Beweismaterials zerstört worden. Als die Ärzte nicht mehr gewagt hatten, damit fortzufahren, hatten sie das Präparat nach London geschickt, wo anderen biologischen Spuren nachgegangen werden sollte. Die schwedischen Ärzte waren nämlich so gut wie überzeugt davon, daß es sich um Gift handelte, ein Gift, das nicht chemisch, sondern biologisch wirkte und die Atemfunktionen beeinflußte. Es war ein wissenschaftlich offenbar sehr interessantes Problem, da es sich um eine bislang unbekannte Erscheinung handelte, etwas Neues. Curare war in der schwedischen Kriminalgeschichte inzwischen zumindest mit einigen Fällen vertreten. Eine Krankenschwester hatte versucht, ihren Mann mit dieser Methode zu ermorden, nachdem sie in einem Roman davon gelesen hatte, war aber zufällig überführt worden.
Rune Jansson versuchte sich zu erinnern, worüber er und Hamilton oben in Murmansk gesprochen hatten, als es um den Giftmord ging. Rune Jansson erkannte, daß er seine Erinnerungen aus dieser Zeit bewußt verdrängt hatte. Dieser Auftrag war mit allzu vielen unangenehmen Dingen verbunden gewesen. Am schlimmsten war es für ihn gewesen, jemanden zu einem Geständnis zu verlocken, der anschließend zum Tod verurteilt worden war.
Doch ihm fiel etwas ein, was Hamilton erklärt hatte. Dieser hatte gesagt, der russische Nachrichtendienst sei hochgradig gerade auf diesen Typ von Giften spezialisiert. Der Mord in Haparanda hatte genau einen solchen Hintergrund. Damals war es um Curare gegangen, aber hatte Hamilton nicht gesagt, daß es noch weitere Gifte mit der gleichen Wirkung gab?
Rune Janssons erster Impuls war, einfach den Hörer abzunehmen und anzurufen, doch er überlegte es sich, als ihm einfiel, daß sie sich nicht mehr gesehen hatten, seit… ja, seit all das mit Hamiltons Familie passiert war.
Dies war jedoch eine Spur, die nicht in Vergessenheit geraten durfte. Rune Jansson beschloß, auf dem Dienstweg eine kurze offizielle Anfrage zu schreiben, die Anfrage eines rangniederen Polizisten an einen bekannten Mann, der in der Polizeihierarchie jetzt ganz oben angekommen war. Das, was Hamilton wußte – und etwas wußte er –, konnte von großer Bedeutung für die weiteren Tests sein, denen man die letzten Reste des »Präparats« aussetzen würde. Darin war sich Rune Jansson absolut sicher.
Jetzt hatte er zwei Maßnahmen notiert: Durchsicht des Waffenscheinregisters, was den Besitz eines bestimmten Gewehrtyps betraf, ferner eine schriftliche Anfrage an Hamilton, die andere russische Gifte als Curare betraf.
Die nächste Maßnahme war selbstverständlich. Die Wohnung dieses Newzat Özen außerhalb von Västerås war nie untersucht worden, da man bis jetzt nicht genügend Gründe gesehen hatte, einen Mord zu vermuten. Mochte inzwischen auch schon viel Zeit verstrichen sein, diese Durchsuchung mußte stattfinden. Die Frage war nur, wann.
Er notierte sich, daß er Hamilton fragen mußte, wonach man gegebenenfalls suchen müsse.
Die Hausdurchsuchung sollte zweckmäßigerweise dann erfolgen, wenn man Özens Frau zu einem Verhör geholt hatte. Dem Protokoll zufolge war an den Wohnungsschlüsseln nichts von Fremdeinwirkung festzustellen gewesen. Die Frau behauptete nicht, daß jemand sich nachts mit Gewalt Zutritt verschafft habe, sondern hatte nur erklärt, ihn tot aufgefunden zu haben. Folglich war sie jetzt verdächtig. Was formal richtig war, was gut war, wenn sie schuldig war, was aber entsetzlich war, wenn sie sich als unschuldig erwies. Doch so war es. Bedauerlicherweise mußte sie ein sehr langes und schwieriges Verhör über sich
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