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Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Schnecke ins Schneckenhaus und war für die beiden hinter dem Wagen weder zu hören noch zu sehen.
    Â»Einer muss bei diesen beiden bleiben«, hatte Nitti zu ihm gesagt. »Die haben Angehörige im Hochsicherheitsbereich.«
    Auch wenn nicht klar war, was Paolo und Luisa, unbewacht, hätten anstellen können: die vom Sturm gepeitschte Insel durchstreifen, in dem Schrotthaufen die Flucht ergreifen, einen Ausbruch organisieren?, hatte die metallische Stimme aus der Zentrale es so angeordnet: »Lasst die beiden nicht allein, egal was passiert.«
    Nitti hatte den Häftling in den Transporter verladen, der dann bald darauf hinter der Spitzkehre verschwunden war. Wann sie wiederkommen würden, war nicht abzusehen.
    Luisa und Paolo kletterten in den Jeep, um sich vor dem Wind zu schützen. Während Paolo hinter ihr einstieg, deutete er ein Schließen der Wagentür an und warf ihr dabei einen fragenden Blick zu.
    Â»Soll ich zumachen?«
    Sie schüttelte nur kurz den Kopf, worauf Paolo mit sichtbarer Erleichterung reagierte.
    Â»Ja … finde ich auch. Ein wenig offen ist besser.«
    So ließ er die Wagentür einen Spalt breit geöffnet und setzte sich neben sie. Um ihm Platz zu machen, war Luisa zur Seite gerückt, was gar nicht nötig gewesen wäre. Auf der Bank hätten auch vier Leute sitzen können. Während er sich neben ihr niederließ, hob sie den Blick und sah ihn an. Dabei fiel ihm auf, dass das Azurblau ihrer Augen von perfekt runden schwarzen Kreisen umrandet waren. Wie von Mauern eingefasste Gärten , dachte er.
    Schweigend saßen sie beisammen, Seite an Seite, sein Kopf nur ein wenig höher als der ihre. Ungehindert prallten die Böen gegen die Windschutz scheibe des Jeeps, der aber nicht ins Schwanken geriet, da er zwischen den Felsen eingeklemmt war. Die Rückseite war vom Wind abgewandt: In der Luft, die durch den Spalt zwischen Rahmen und Hecktür in den Innenraum zog, bewegten sich Luisas Rock und Haare, jedoch ohne dass es ihr unangenehm gewesen wäre.
    Landeinwärts setzte sich das Kap, auf dem sie sich befanden, in immer zerklüfteteren Steilhängen bis zum höchsten Punkt der Insel fort, einem einzelnen, spitz aufragenden, fast alpinen Gipfel in der Ferne. Am anderen Ende der Bucht erhob sich auf einer abgerundeten grünen Landzunge auf kreisförmigem Grundriss die Ruine eines Turmes. Es sah aus, als sei ein Stück Irland ans Mittelmeer verpflanzt worden. Vor ihnen führte die Straße wieder bergab und durchzog einen schmalen Streifen Land, der einen Strandsee vom Meer trennte; mit jeder neuen Welle drohten die Fluten die Fahrbahn zu verschlingen und die beiden Gewässer wieder zu vereinen. Nicht weit von dem Jeep entfernt, in der ausgedehnten Ebene hinter dem Strand see, sah man eine Herde Wildpferde. Reglos standen sie da, die Augen geschlossen zu einer Miene grenzen loser Geduld, jedes Tier gleich ausgerichtet, den Kopf vom Wind abgewandt, das Hinterteil im Sturm.
    Â»Die richten sich auf das Unwetter ein«, sagte Paolo.
    Â»Kühe machen das besser«, erwiderte Luisa.
    Â»Ja? Wie denn?«
    Â»Die legen sich flach hin.«
    Â»Sie scheinen sich mit Tieren auszukennen …«
    Â»Tja, ich hab siebenunddreißig.«
    Â»Siebenunddreißig! Was sind Sie denn von Beruf? Zoodirektorin?«
    Â»Nein. Bäuerin.« Sie sagte das, ohne auch nur andeutungsweise die Ironie in seiner Bemerkung wieder aufzunehmen. Es war bloß eine Feststellung, konkret und nackt: nicht Zoodirektorin, sondern Bäuerin.
    Â»Und was für Tiere haben Sie?«
    Â»Zwölf Kühe. Drei Kälber. Einen Bullen. Acht Hühner. Einen Hahn. Küken nicht zu dieser Jahreszeit. Sechs Kaninchen. Zwei Katzen. Drei Ziegen. Und einen Pfau. Sie wissen schon …, die ein Rad schlagen.«
    Â»Einen Pfau? Das sind schöne Tiere.«
    Â»Ja, sehr schön. Nur ihre Stimme nicht. Die klingt furchtbar. Aber die Federn sind wirklich sehr schön … Hatten Sie schon mal eine Pfauenfeder?«
    Â»Ob ich schon mal eine besessen habe? Ich glaube nicht, aber in der Hand gehabt schon.«
    Â»Die bringen Glück. Vor allem die letzte.«
    Â»Was heißt das, ›die letzte‹?«
    Â»Die letzte, die der Pfau verliert. Die letzte, die ihm herausgezogen wird, hier …« Sie zeigte auf ihr Gesäß auf der Bank. »Als meine Kinder noch klein waren, sind sie ihm jedes Jahr nachgerannt und versuchten,

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