Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
Vom Netzwerk:
Fahrer des Transporters nahm sich noch nicht einmal die Zeit durchzuatmen, stieß die Tür auf und rannte zu der Unfallstelle.
    In dem Jeep sah es aus, als seien die Insassen in einen Mixer gesteckt worden. Niemand war mehr auf dem Platz, auf den er gehörte. Der Fahrer war unter das Armaturenbrett gerutscht und schien eingeklemmt zu sein. Nitti hockte vor einer der Seitenbänke, sein Körper halb ausgestreckt auf dem bäuchlings am Boden liegenden Häftling, während sein Mund dessen Ohr berührte. Ein Bild von fast zärtlicher Intimität, sah man von der Tatsache ab, dass er dem Mann mit einer gespreizten Hand den Kopf auf den Boden presste und ihn auf diese Weise festhielt. »Hooh, hooh!«, rief er ihm zu wie ein Pferdebändiger seinem scheuenden Tier.
    Als der Häftling den Kopf zu heben versuchte, traf ihn Nitti mit der Faust. Dann spreizte er wieder die Hand, packte den Häftling und begann, wie ein Kolben dessen Gesicht auf den Boden zu hämmern, hoch, runter, hoch, runter, und jedes Mal, wenn der Mann das Gesicht wieder anhob, stieß Nitti es erneut hinun ter – selbstvergessen wie ein Basketballspieler, der sich am Spielfeldrand dribbelnd auf eine wichtige Partie vorbereitet. Dann hörte man ein lautes Knacken vom Nasenbein des Häftlings, das gebrochen war.
    Â»Nitti. Lass jetzt. Es reicht!«
    Er hob den Blick und erkannte den Fahrer des Transporters. Scheinbar selbst überrascht, sich rittlings auf einem Gefangenen sitzend wiederzufinden, hielt er inne.
    Unterdessen hatte sich der Fahrer des Jeeps aus seiner misslichen Lage unter dem Armaturenbrett befreit. Mit verstörter Miene richtete er sich auf, klimperte mit den Augenlidern und stieg dann, auf der heilen Seite, die dem Meer zugewandt war und als einzige noch eine Tür besaß, die diesen Namen verdiente, mit trä gen Bewegungen aus dem Fahrzeug. Eine dünne schwarze Rauchwolke stieg aus der Motorhaube auf.
    Aus der Nase des Häftlings lief jetzt Blut und tropfte auf den Boden des Wagens, dann auch auf Nittis Uniformjacke, als dieser seinen Widersacher mit Handschellen an ein Bein des Sitzes kettete, unter dem sie gelandet waren. Dann richtete er sich auf und bewegte nacheinander jeden Teil seines Körpers, so als lasse er sie zum Appell antreten: Beine, Hals, Arm … Ja, alles noch an seinem Platz. Als er wieder aufrecht stand, machte er Anstalten, das Fahrzeug durch die Hecktür zu verlassen, drehte sich zuvor aber noch einmal um. Angekettet auf dem Bauch liegend, eine blutbesudelte Wange am Boden, schaute ihn der Häftling von unten herauf an.
    Â»Ein schlechter Beginn«, sagte Nitti in sachlichem Ton zu ihm. »Ein wahnsinnig schlechter Beginn. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du diesen Auftritt noch bereuen wirst.«
    Â»Was ist eigentlich passiert«, fragte der Fahrer des Transporters, der an der Rückseite des Jeeps aufgetaucht war.
    Vorsichtig sprang Nitti aus dem Wagen. Ja, auch die Gelenke funktionierten noch.
    Â»Keine Ahnung, was in den gefahren ist«, antwortete er. »Plötzlich fing er an, wie ein Irrer zu schreien, ist aufgesprungen, hat sich nach vorne geworfen und versucht, ihm das Lenkrad aus der Hand zu reißen …« Er deutete auf den Fahrer des Jeeps.
    Dieser humpelte jetzt zu den beiden anderen, die an der Rückseite des Fahrzeugs standen.
    Â»Puh. Das sah nicht gut aus …«, sagte er.
    Paolo und Luisa waren ebenfalls ausgestiegen und zu der Unfallstelle gegangen, aber niemand beachtete sie.
    Â»â€¦ seufzte die Gräfin, nachdem sie nackt über die Spiegel gelaufen war …«, setzte der Fahrer des Transporters den Satz fort.
    Wieder hatte er seinen Witz leise, ohne zu lächeln, vor sich hin gemurmelt, als sei es ihm gleich, ob man ihn verstand oder nicht. So war es wohl nicht verwunderlich, dass er nur ratloses Schweigen erntete.
    Nach einigen Sekunden des Nachdenkens aber fing Nitti an zu lachen, und kurz darauf lachte auch der Fahrer des Jeeps. Erst jetzt gab der Urheber des Witzes seine unbeteiligte Miene auf und stimmte, indem er heftig mit den Schultern zuckte und die Lippen verzog, in das Gelächter der anderen ein. Sein Lachen schürte wiederum das von Nitti und dem anderen Fah rer, der jetzt mit schmerzverzerrter Miene eine Hand auf die Brust legte:
    Â»Aua, aua, hört auf, bringt mich nicht zum La chen …«, stöhnte er, indem er auf seine Rippen deutete.
    Aber er hörte selbst

Weitere Kostenlose Bücher