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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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vielleicht die Zeit für mich gekommen ist, mich in ein Kloster zu begeben und für eine Weile mit den Schwestern in Klausur zu gehen.
    Er berührt meine Schulter und ich drehe mich zu ihm um: »Was ich im Wald gesagt hab, hat dir hoffentlich keine Angst gemacht oder so … hoffentlich haust du dich deshalb nicht hin …«
    »Nein, nein.« Seine Augen sind ganz groß vor Sorge. Ich füge hinzu: »Das hat mich ehrlich gesagt ziemlich glücklich gemacht.« Und das ist natürlich wahr, doch da wäre noch dieses kleine Problem, dass ich mich gleich nach seiner Erklärung
mit dem Freund meiner toten Schwester verabredet hab, um Gott weiß was zu tun!
    »Gut.« Mit dem Daumen streicht er mir über die Wange und wieder erschreckt mich seine Zärtlichkeit. »Ich werd nämlich verrückt, Lennie.« Plink. Plink. Plink. Und einfach so werde ich auch verrückt, denn ich denke, dass Joe Fontaine im Begriff ist, mich zu küssen. Endlich.
    Vergesst das Kloster.
    Um das klarzustellen: Mein bislang nicht messbares Flittchenrating sprengt alle Charts.
    »Ich wusste gar nicht, dass du weißt, wie ich heiße«, sage ich.
    »Du weißt ja so wenig über mich, Lennie .« Er lächelt und presst mir den Zeigefinger auf die Lippen, dort lässt er ihn, bis mein Herz auf dem Jupiter gelandet ist: drei Sekunden, dann zieht er den Finger weg, dreht sich um und geht wieder ins Wohnzimmer. Wow – also, das war entweder der idiotischste oder der erotischste Augenblick meines Lebens, und ich bin für erotisch, denn ich steh hier wie vom Donner gerührt, mir ist schwindelig und ich frag mich, ob er mich vielleicht doch geküsst hat.
    Ich bin völlig von der Rolle.
    Ich glaube nicht, dass normale Menschen so trauern.
    Als ich wieder ein Bein vor das andere setzen kann, mache ich mich auf den Weg ins Allerheiligste. Gott sei Dank ist es von Grama für im Wesentlichen Glück bringend befunden worden, deshalb ist es weitgehend unberührt geblieben, das gilt besonders für Baileys Sachen, die Grama glücklicherweise überhaupt nicht angerührt hat. Sofort gehe ich an
ihren Schreibtisch und fang an, mit dem Bild von der Forschungsreisenden zu reden, so wie wir manchmal mit der Halbmutter reden.
    Heute Abend wird die Frau auf dem Berggipfel Bailey sein müssen.
    Ich setze mich und sage ihr, wie leid es mir tut, dass ich nicht weiß, was mit mir los ist, und dass ich Toby morgen früh gleich als Erstes anrufen und die Verabredung absagen werde. Ich sag ihr auch, dass ich nicht so gemeint habe, was ich im Wald gedacht habe, und dass ich alles tun würde, damit sie Joe Fontaine kennenlernen könnte. Alles. Und dann bitte ich sie noch mal, mir doch bitte ein Zeichen ihrer Vergebung zu schicken, ehe die Reihe von unverzeihlichen Dingen, die ich denke und tue, zu lang wird und ich zum hoffnungslosen Fall werde.
    Ich guck rüber zu den Kisten. Irgendwann muss ich mal anfangen, das ist mir klar. Ich atme tief durch, verbanne alle morbiden Gedanken aus meinem Kopf und lege die Hände auf die Holzknäufe der obersten Schreibtischschublade. Nur um sofort an Bailey und unseren Anti-Schnüffel-Pakt zu denken. Den habe ich nie gebrochen, nicht ein einziges Mal, obwohl ich von Natur aus schnüffelfreudig bin. Bei anderen Leuten öffne ich bei jeder Gelegenheit Medizinschränke, gucke hinter Duschvorhänge und ziehe Schubladen und Schranktüren auf. Aber bei Bailey hab ich mich an den Pakt gehalten …
    Pakte. Wir hatten so viele geschlossen, die jetzt gebrochen werden. Und was wird aus denen, die nie in Worte gefasst wurden, die wir stillschweigend eingingen, ohne die
Finger zu heben, ohne es auch nur zu bemerken? Ein Schwall von Gefühlen trifft mich. Vergiss das Gespräch mit dem Bild, ich hole mein Handy raus, gebe Baileys Nummer ein und höre ungeduldig ihrer Julia zu, die Hitze steigt mir in den Kopf und nach dem Piepton höre ich mich sagen: »Was passiert mit einem blöden Beistellpony, wenn das Rennpferd stirbt?« In meiner Stimme schwingt Wut und Verzweiflung mit und sofort und wider jede Logik wünsche ich, ich könnte die Nachricht löschen, damit sie sie nicht hört.
    Langsam öffne ich die Schublade, ich habe Angst vor dem, was ich finden könnte, Angst, noch mehr zu finden, das sie mir nicht erzählt hat, Angst vor mir selbst als völlig durchgeknallter Paktbrecherin. Aber da liegen nur Sachen, belanglose Sachen, die ihr gehört haben, ein paar Stifte, ein paar Programmhefte von Stücken am Clover Repertory , Konzertkarten, ein Adressbuch, ein altes Handy,

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