Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel
drei Fontaines purzeln heraus, als wären sie in ein Auto gestopft worden.
Marcus sagt als Erster was: »Va va va voom.«
Joes Mund klappt runter.
Tobys übrigens auch.
»Heilige Scheiße«, kommt über DougFreds permanent von einem entrückten Lächeln beseelten Lippen. Alle vier stehen da wie eine Reihe vom Donner gerührter Enten. Ich bin mir nur allzu bewusst, wie kurz mein Kleid ist und wie eng es über der Brust sitzt, wie wild mein Haar ist und wie rot meine Lippen sind. Ich könnte sterben. Ich möchte mir die Arme um den Körper wickeln. Für den Rest meines Lebens werde ich das Femmefatalen anderen Femmes überlassen. Ich will nur weg, aber ich will nicht, dass sie mir auf den Hintern glotzen, während ich in diesem winzigen Stofffetzen, der sich als Kleid ausgibt, in die Wälder abtauche. Sekunde mal – ich schaue von einem zum anderen und registriere, was für idiotische Gesichter sie machen. Hatte Sarah etwa recht? Könnte das hier klappen? Sind Jungs wirklich so einfältig?
Marcus reagiert überschwänglich. »Ziemlich heißer Feger, John Lennon.«
Joe funkelt ihn wütend an. »Klappe, Marcus.« Er hat seine Fassung wiedergewonnen und seine Wut. Nee, Joe ist garantiert nicht so einfältig. Ich weiß sofort, dass das ein ganz, ganz schlechter Zug war.
»Was ist bloß los mit euch beiden?«, sagt er zu Toby und mir und wirft in perfekter Nachahmung seines Derwischvaters die Arme in die Luft.
Er drängelt sich an seinen Brüdern und Toby vorbei, springt die Stufen runter und kommt so dicht an mich heran,
dass ich seine Wut riechen kann. »Kapierst du das nicht? Was du getan hast? Es ist erledigt, Lennie, wir sind fertig miteinander.« Joes wunderschöne Lippen, die Lippen, die mich geküsst und mir ins Haar geflüstert haben, zucken und spucken Wörter, die ich hasse. Unter mir beginnt der Boden zu schwanken. Leute fallen doch nicht wirklich in Ohnmacht, oder? »Merk dir das, denn ich meine es ernst. Es ist kaputt. Alles ist kaputt.«
Ich möchte im Boden versinken. Und Sarah bringe ich um. Was ich hier gemacht hab, war doch typisch Beistellpony. Ich wusste, es würde nicht funktionieren. Diesen kolossalen Verrat würde er nicht so einfach zur Seite schieben, weil ich mich in dieses lächerlich kleine Kleid gequetscht habe. Wie konnte ich so blöd sein?
Und eben ist mir aufgegangen, dass ich zwar Autor meiner eigenen Geschichte sein mag, aber alle anderen sind auch Autoren ihrer eigenen Geschichten und manchmal, so wie jetzt, gibt es keine Überschneidungen.
Er geht weg von mir. Es ist mir völlig egal, dass sechs Augen und Ohren auf uns gerichtet sind. Er darf nicht gehen, bevor ich nicht die Chance hatte, etwas zu sagen, die Chance, ihm begreiflich zu machen, was passiert ist und was ich für ihn empfinde. Ich packe ihn unten an seinem T-Shirt. Er fährt herum, schleudert meine Hand weg und guckt mir in die Augen. Ich weiß nicht, was er darin sieht, aber er wird ein wenig weicher.
Etwas von seiner Wut fällt von ihm ab, als er mich ansieht. Ohne sie wirkt er aus der Fassung gebracht und verletzlich, wie ein kleiner, mutloser Junge. Die Zärtlichkeit,
die ich für ihn spüre, tut richtig weh. Ich möchte sein schönes Gesicht berühren. Ich schaue auf seine Hände, sie zittern.
So wie ich am ganzen Leibe.
»Es tut mir leid«, bringe ich raus.
»Ist mir egal«, sagt er, seine Stimme bricht ein wenig. Er guckt zu Boden. Ich folge seinem Blick, sehe seine nackten Füße unter den Jeans hervorschauen, lang und dünn mit Affenzehen. Noch nie habe ich seine Füße ohne Schuhe und Socken gesehen. Absolut affenartig – die Zehen sind so lang, er könnte damit Klavier spielen.
»Deine Füße«, sage ich, bevor ich es merke. »Die hab ich noch nie gesehen.«
Meine idiotischen Worte prasseln in die Luft zwischen uns und für den Bruchteil einer Sekunde weiß ich, dass er lachen, den Arm ausstrecken und mich an sich ziehen möchte, mich damit aufziehen, etwas so Lächerliches zu sagen, wo er mich gerade ermorden will. Das sehe ich in seinem Gesicht, als ob die Gedanken darauf gekritzelt wären. Aber dann wird das alles genauso schnell wieder weggewischt, wie es aufgetaucht ist, und was zurückbleibt, ist die sperrige Verletzlichkeit in seinen nicht plinkernden Augen, sein nicht lächelnder Mund. Er wird mir nie vergeben.
Ich hab die Freude aus dem freudigsten Menschen des Planeten Erde genommen.
»Es tut mir so leid«, sage ich. »Ich …«
»Gott, hör doch auf, das zu sagen.« Seine Hände
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