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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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flattern um mich herum wie verrückte Fledermäuse. Ich hab seine Wut wieder entfacht. »Für mich spielt das keine Rolle, dass
es dir leidtut. Das kapierst du einfach nicht.« Damit fährt er herum und rennt ins Haus, ehe ich noch ein weiteres Wort sagen kann.
    Marcus schüttelt den Kopf und seufzt, dann folgt er mit DougFred im Schlepptau seinem Bruder nach drinnen.
    Ich steh da, Joes Worte versengen mir noch die Haut, und ich denke, was für eine schreckliche Idee es war, hier hochzukommen, in diesem winzigen Kleid, diesen Wolkenkratzerschuhen. Ich wische den Gesang der Sirene von meinen Lippen. Bin angewidert von mir. Ich hab ihn nicht um Verzeihung gebeten, ihm nichts erklärt, ihm nicht gesagt, dass er das Faszinierendste ist, das mir je passiert ist, dass ich ihn liebe, dass er der Einzige für mich ist. Stattdessen hab ich über seine Füße geredet. Seine Füße .
    Klarer Fall von Abwürgen unter Druck. Und dann erinnere ich mich an das Hallo, Rachel , das einen Molotowcocktail der Eifersucht in mein Elend schleudert und das düstere Bild vervollständigt.
    Ich will den perfekten Postkartenhimmel treten.
    Und bin so in meine Selbstkasteiung verstrickt, dass ich ganz vergesse, dass Toby da ist, bis er sagt: »Ziemlich gefühlsbetonter Typ.«
    Ich schaue hoch. Er sitzt jetzt auf der Treppe, die Beine lang ausgestreckt, stützt er sich mit den Armen ab. Er muss direkt von der Arbeit hergekommen sein, er sitzt da nicht in seinen normalen Skaterklamotten, sondern in Matsch bespritzten Jeans und Boots und einem karierten Hemd. Nur der Stetson fehlt, sonst wäre das Bild vom Marlboro-Mann komplett. Er sieht aus wie an dem Tag, an dem er das Herz
meiner Schwester im Sturm genommen hat: Baileys Revolutionär.
    »Gestern wäre er beinahe mit seiner Gitarre auf mich losgegangen. Ich glaube, wir machen Fortschritte.«
    »Toby, was tust du hier?«
    »Was tust du denn, warum versteckst du dich in den Bäumen?«, fragt er zurück mit einer Kopfbewegung Richtung Weide.
    »Ich versuche, was wiedergutzumachen«, sage ich.
    »Ich auch«, sagt er schnell und springt auf. »Aber bei dir. Ich wollte ihm erklären, was was ist.« Seine Worte überraschen mich.
    »Ich bring dich nach Hause«, sagt er.
    »Wir steigen beide in seinen Truck. Ich kann die Übelkeit nicht im Zaum halten, die mich infolge der zweifellos schlimmsten Verführung in der Geschichte der Liebe befällt. Igitt. Und darüber hinaus bin ich mir auch sicher, dass Joe uns von einem Fenster aus beobachtet und all seine Verdächtigungen in seinem heißen Kopf brodeln, als ich mit Toby davonfahre.
    »Was hast du denn zu ihm gesagt?«, frage ich, nachdem wir das Territorium der Fontaines geräumt haben.
    »Also, die drei Wörter, die ich gestern sagen konnte, und die zehn, die ich heute loswerden konnte, laufen mehr oder weniger darauf hinaus, dass er dir eine zweite Chance geben sollte, dass zwischen uns nichts ist, dass wir einfach nur völlig fertig waren …«
    »Wow, echt nett von dir. Einmischung wie sonst was, aber nett.«

    Er guckt einen Moment lang zu mir rüber, ehe er die Augen wieder auf die Straße richtet. »Ich hab euch beide in dieser Nacht im Regen beobachtet … ich hab gesehen, was ihr fühlt.«
    In seiner Stimme schwingen so viele Emotionen mit, die ich nicht deuten kann und wahrscheinlich auch nicht deuten will. »Danke«, sage ich leise, gerührt, dass er das trotz allem, wegen allem getan hat.
    Er antwortet nicht, guckt nur geradeaus in die Sonne, die mit ihrem unbändigen Strahlen alles auf unserem Weg auslöscht. Der Truck schießt durch die Bäume und ich strecke die Hand aus dem Fenster, versuche den Wind zu fangen, wie Bailey das immer gemacht hat, vermisse sie, vermisse das Mädchen, das ich in ihrer Gegenwart war, vermisse, wie wir alle waren. Diese Menschen werden wir nie wieder sein. Sie hat sie alle mitgenommen.
    Tobys Finger trommeln nervös auf dem Lenkrad herum. Er hört nicht auf damit. Tap. Tap. Tap.
    »Was ist los?«, frage ich.
    Er packt das Lenkrad mit beiden Händen.
    »Ich liebe sie wirklich«, sagt er, seine Stimme bricht. »Mehr als alles andere.«
    »O, Toby, das weiß ich.« Das ist das Einzige in diesem ganzen Durcheinander, das ich verstehe: Alles, was zwischen uns geschehen ist, ist aus zu viel Liebe für Bailey geschehen, nicht aus zu wenig.
    »Ich weiß«, wiederhole ich.
    Er nickt.
    Mir kommt ein Gedanke: Bailey hat Toby und mich so
sehr geliebt – ihr ganzes Herz bestand eigentlich aus ihm und mir -, vielleicht

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