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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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Ich lege den Deckel wieder drauf, stelle den Karton auf eines der unteren Borde, wo immer noch Platz
ist. Gleich dahinter entdecke ich einen alten Briefkasten, dessen Holz poliert ist und glänzt. Was macht so eine Antiquität hier oben, warum steht er nicht unten bei Gramas anderen Schätzen, zumal er aussieht wie ein richtiges Schmuckstück? Ich hole ihn hervor, das Holz ist Mahagoni und in den Deckel ist ein Ring galoppierender Pferde geschnitzt. Warum ist er nicht mit Staub bedeckt wie alles andere auf diesen Regalen? Ich hebe den Deckel an und sehe, dass in dem Kasten gefaltete Blätter von Gramas minzgrünem Schreibpapier liegen, richtig viele und jede Menge Briefe dazu. Ich will schon alles wieder zurückstellen, als ich auf einem der Briefumschläge in Gramas ordentlicher Schrift den Namen Paige sehe. Ich blättere die anderen Briefumschläge durch. Auf jedem einzelnen steht Paige mit der Jahreszahl neben ihrem Namen. Grama schreibt Briefe an Mom? Jedes Jahr? Alle Umschläge sind zugeklebt. Ich weiß, das ist etwas Privates, ich sollte den Kasten zurückstellen, aber ich kann es nicht. Scheiß aufs Karma. Ich klappe einen der gefalteten Bögen auf. Da steht:
    Liebling, die zweite Lilienblüte ist in vollem Gang, ich muss Dir schreiben. Ich weiß , das schreibe ich Dir jedes Jahr, aber seit Du weg bist, haben sie nie wieder so geblüht wie davor. Sie sind jetzt so geizig. Vielleicht liegt es daran, dass niemand sie annähernd so liebt, wie Du es getan hast – wie könnte man das auch? Jeden Frühling frage ich mich, ob ich die Mädchen auch im Garten schlafend
finden werde, so wie Dich jeden Morgen. Hast Du gewusst, wie sehr ich es genossen habe, hinauszugehen und Dich inmitten meiner Lilien und Rosen schlafen zu sehen – ich habe nie auch nur versucht, dieses Bild zu malen. Das werde ich nie tun. Ich möchte es mir nicht verderben. Mom
    Wow, meine Mutter liebt Lilien, so richtig. Ja, ja, schon wahr, die meisten Menschen lieben Lilien, aber meine Mutter ist so verrückt nach ihnen, dass sie immer in Gramas Garten geschlafen hat, Nacht für Nacht, den ganzen Frühling hindurch, so verrückt, dass sie es nicht ertragen konnte, drinnen zu sein, wenn all diese Blumen vor ihrem Fenster so einen Riesenaufstand machten. Ob sie ihre Bettdecke mit rausgenommen hat? Einen Schlafsack? Gar nichts? Ob sie sich rausgeschlichen hat, als alle anderen schliefen? Hat sie das getan, als sie in meinem Alter war? Ob sie genauso gern in den Himmel geschaut hat wie ich? Ich will mehr wissen. Ich fühle mich kribbelig und schwindelig, so als ob ich sie das erste Mal treffen würde. Ich setze mich auf eine Kiste und versuche, mich zu beruhigen. Es funktioniert nicht. Ich nehme noch ein Blatt. Darauf steht:
    Erinnerst Du Dich noch an dieses Pesto, das Du mit Walnüssen statt Pinienkernen zubereitet hast? Nun, ich hab’s mit Pekannüssen versucht – und weißt Du, was? Das ist noch besser.
    Das Rezept:
    2 Tassen frisches Basilikum
2/3 Tasse Olivenöl
1/2 Tasse Pekannüsse
1/3 Tasse frisch geriebener Parmesan
2 große zerdrückte Knoblauchzehen
1/2 Teelöffel Salz
    Meine Mutter macht Pesto mit Walnüssen! Das ist ja noch besser, als unter Lilien zu schlafen. So normal. So Ich glaub, ich mach heut Pasta mit Pesto zum Abendessen . Meine Mutter werkelt in der Küche herum. Sie gibt Walnüsse und Basilikum in die Küchenmaschine und schaltet sie ein. Sie kocht Wasser für die Nudeln! Das muss ich Bailey erzählen. Ich will ihr aus dem Fenster zuschreien: Unsere Mutter kocht Nudelwasser! Ich werde es tun. Ich werde es Bailey erzählen. Ich bahne mir den Weg zum Fenster, klettere auf den Schreibtisch und stecke meinen Kopf nach draußen, gröle in den Himmel und erzähle meiner Schwester alles, was ich eben erfahren habe. Mir ist schwindelig und ich komm mir ein bisschen verrückt vor, als ich wieder auf den Dachboden zurückkrieche. Ich hoffe, dass keiner dieses Mädchen aus vollem Halse was von Pasta und Lilien hat brüllen hören. Ich atme tief durch. Öffne noch einen Bogen.
    Paige, ich hab immerzu das Parfum getragen, das Du jahrelang benutzt hast. Das, von dem Du fandest, er rieche wie Sonnenschein. Ich habe gerade festgestellt, dass er nicht mehr verkauft wird.
Jetzt kommt es mir vor, als hätte ich Dich endgültig verloren. Das kann ich nicht ertragen. Mom
    Oh.
    Aber warum hat Grama uns nicht erzählt, dass unsere Mutter ein Parfum getragen hat, das wie Sonnenschein duftete? Dass sie im Frühling im Garten geschlafen hat? Und Pesto

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