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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zur Seite, um sich dann gleich wieder am Rand des Schwimmbeckens aufzustellen. Einer sprang so nahe an den Beckenrand, daß sogar Irma ein paar Spritzer abbekam. Der Bademeister pfiff und machte eine verneinende Handbewegung. Die Mädchen drehten ihm den Rücken zu und kicherten mit erhobenen Schultern.
    Nach einer Weile ging Irma rüber zum Fünfzigmeterbecken und setzte sich auf einen Startblock. Hinter ihr saß ein Kind auf dem Betonboden und tunkte Pommes ins Ketchup. Unter den Schwimmern, die pausenlos die Bahnen rauf- und runterkraulten, waren zwei Männer, die Irma nicht aus den Augenließ; sie wendeten drei und vier Startblöcke weiter, schwammen parallel, als trügen sie einen geheimen Wettkampf aus. Da die beiden eine Schwimmbrille aufhatten, blieb Irma nichts anderes übrig, als darauf zu warten, daß sie endlich aus dem Wasser stiegen.
    Â«Irma?» Eine kühle Hand berührte kurz ihren Rücken. «Ich war mir nicht sicher.» Friedrichs Haare waren naß; er stellte die Sporttasche ab, setzte sich auf den Startblock nebenan, betrachtete Irma eingehend, daß sie am liebsten ins Wasser gesprungen wäre.
    Â«Ich wollte gerade nach Hause. Du hast meine Nachricht also –»
    Irma nickte. «Ich wollte auch gerade –, ich muß Florian vom Kindergarten abholen.» Was erzähl’ ich ihm da. Hoffentlich weiß er nicht, daß der Kindergarten längst geschlossen hat.
    Â«Du warst gar nicht im Wasser», sagte Friedrich.
    Â«Ich war auf der Terrasse. Ich darf nicht ins Wasser. Bin frisch operiert.»
    Â«Papa hat davon erzählt», sagte Friedrich.
    Hoffentlich fragt er mich jetzt nicht über meine Krankheit aus, dachte Irma.
    Sie standen gleichzeitig auf, gingen schweigend Richtung Kabinen. Einmal zog Friedrich Irma zur Seite, sonst wäre sie auf einen senfverschmierten Pappteller getreten. Auf der Wiese gegenüber dem Wellenbecken hatte jemand seinen Ghettoblaster in voller Lautstärke eingeschaltet. Irma hätte nichts dagegen gehabt, wenn er noch lauter aufgedreht gewesen wäre.
    Â«Bist du oft hier?»
    Â«Ja», sagte Friedrich. Er sah sie an, und sie schaute hinüber zum Spielbach, wo Kleinkinder mit Schwimmflügeln auf den Steinen auf und ab gingen.
    Â«Ich hab’ gehofft, dich zu sehen.» Friedrich faßte nach Irmas Arm. «Wollen wir noch einen Kaffee trinken?»
    Â«Ich komm’ gleich», sagte Irma und machte ein paar Schritte zur Seite. Sie wühlte in der Tasche nach dem Handy, rief Davide an, fragte ihn, ob er so nett sei, noch zwei Stunden auf Florian aufzupassen.
    Â«Nun sag schon», flüsterte Davide, «wie ist er? Läuft was?»
    Irma blickte Friedrich hinterher. Er hatte einen leicht hüpfenden Gang, als würde er die Füße zuerst an den Ballen abrollen.
    Â«Sei nicht so neugierig», sagte Irma. Sie gab Davide noch ein paar Anweisungen; im Kühlschrank befänden sich Fruchtzwerge, auch Käse und Schinken wären da. Davide bräuchte nicht zu kochen, falls es später würde.
    Friedrich zeigte auf einen Tisch und schaute zu Irma herüber. Er stellte die Sporttasche auf den Boden, schob sie mit der Fußspitze unter einen Stuhl, verschwand im Inneren des Restaurants.
    Als Irma endlich nachkam und sich hinsetzte, fühlte sie sich wie ausgestellt. Zuviel Licht, dachte sie. Im Dämmerlicht einer Bar glänzten die Narben am Unterarm wie Schleimspuren einer Schnecke; hier, in der Nachmittagssonne, wirkten sie hart. Irma erinnerte sich an eine Busfahrt in der Innenstadt; ein schwarz angezogener Mann hatte die ganze Zeit ihren Unterarm angestarrt und sie schließlich gefragt, ob sie einen Selbstmordversuch begangen habe. Sie war von der Frage so überrascht gewesen, daß sie dem Mann eine ehrliche Antwort gegeben hatte.
    Friedrich brachte zwei kleine Braune und Mineralwasser. «Oder möchtest du lieber etwas anderes?» fragte er.
    Halb zu Irma gewandt, zündete er sich eine Zigarette an. Ein heller Lichtfleck, der wohl von einem spiegelnden Gegenstand herrührte, fiel auf sein Haar. Er komme zweimal die Woche ins Bad, erzählte er, schwimme fünfzig Längen im Fünfzigmeterbecken, weil er jedes Jahr an der Atterseeüberquerung teilnähme.Der Vater sei in seiner Jugend Juniorenmeister gewesen, dazu habe es bei ihm nicht gereicht. «Ich bin zu klein», sagte er und lachte, «ich habe die Figur von meiner Mutter. Und

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