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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Mariella.
    Â«Na, gehen Sie raus, schauen Sie sich das Ganze an. Und werfen Sie die Blumen weg, die waren nicht für mich.»
    Â«Es scheint Ihnen wieder besserzugehen», sagte ich.
    Lucchi stand in der Tür zum Bad und verfolgte meine Handgriffe. «Warum machen Sie das? Haben Sie nichts Besseres gelernt, als die Scheiße der anderen wegzuputzen? Haben Sie das wirklich nötig?»
    Â«Es ist ein Beruf wie jeder andere auch.» Ich straffte das Leintuch, es war noch warm.
    Â«Diesen eingefallenen Mäulern Energie zuführen? Energie, die sich nur noch in bewegungslose Masse verwandelt?» Er lachte auf, hielt sich am Handlauf fest, der sich links von der Badezimmertür bis zum Bett erstreckte. «Wissen Sie, warumich auf diesem Zimmer bestanden habe? Ich kann keine Straße sehen. Und wissen Sie warum? Weil die Straße mit jedem Tag länger wird, wenn der Atem kürzer wird. Überhaupt kann mir jede Landschaft gestohlen bleiben.»
    Ich schüttelte das Kissen auf. «Gibt es irgend etwas, das Sie freut?»
    Â«Ja, diesem Trubel da zuzusehen», er zeigte auf den ausgeschalteten Fernseher, «diesen selbstvergessenen, dummen Geschöpfen. Die fühlen nichts. Und die wissen nicht, daß sie nur dann, wenn sie nichts fühlen, im Vollbesitz ihrer Kräfte sind.» Lucchi hatte sich langsam bis zum Bett vorgearbeitet; er stand jetzt neben mir.
    Â«Brauchen Sie frische Handtücher?» fragte ich ihn.
    Â«Danke.» Er setzte sich. «Sie sind ihm entkommen, nicht wahr?»
    Â«Sie meinen Rino? Warum liegt Ihnen so viel daran, daß ich ihn nicht kennenlerne?»
    Â«Er hat einen miesen Charakter.»
    Â«Aber Sie rufen nach ihm, wenn es Ihnen schlecht geht», sagte ich.
    Â«Scheren Sie sich zum Teufel.»
    Mariella hockte hinter der Toilettentür, das Gesicht bleich, die Augen geschlossen. «Ich kann nicht», sagte sie, «ich habe es versucht, aber ich muß mich übergeben.»
    Obwohl das Fenster zum Garten offenstand, war der Gestank unerträglich. Ich stellte das Putzmittel zur Seite und blickte in die Kabinen: In der einen war nichts Auffälliges zu bemerken, wie immer lag Toilettenpapier auf dem Boden; in der anderen waren die Kacheln rundum mit Kot beschmiert. Das Hotel in der Via Nomentana fiel mir ein, in dem ich einmal Zimmermädchen gewesen war. Damals hatte ein Gast sein Geschäft nicht in, sondern neben der Toilette verrichtet; er waraber nicht alt, vergeßlich oder verwirrt gewesen, sondern ein dreißigjähriger Anwalt aus Mailand.
    Â«Warum wollen Sie hier arbeiten», sagte ich unwirsch, «wenn Sie es nicht schaffen?»
    Â«Ich werde mich schon daran gewöhnen.» Mariella stand auf, nahm den Lappen, doch kaum betrat sie die Kabine, hörte ich, wie der Ekel sie würgte.
    Â«Gehen Sie, schieben Sie Carelli in sein Zimmer, und wischen Sie den Gang, ich mach’ das schon.»
    Jemand schien an hartnäckiger Verstopfung zu leiden; es war nicht das erste Mal, daß einer der Patienten mit dem bloßen Finger die Darmperistaltik anzuregen versuchte, aber noch nie hatte jemand, was am Finger hängengeblieben war, mit derartiger Besessenheit an die Wand gestrichen. Der Kot war schon hart; der Vorfall mußte sich in der Nacht ereignet haben. Ich rieb und rieb an den Fliesen; zwischendurch stellte ich mich ans Fenster und holte tief Luft. Im Garten wurde die Wäsche abgenommen. Ich dachte an das ungebügelte Leintuch, auf dem ich eingeschlafen war. Vittorio hatte sich auch am Morgen nicht gerührt. Es war ihm auch nicht in den Sinn gekommen, einen Zettel in die Küche zu legen. Mehrmals hatte ich mich heute früh dabei ertappt, wie ich nach einer Nachricht suchte, hatte mich sogar einmal umgedreht, weil ich ihn hinter mir zu spüren glaubte.
    Es waren noch etwa zwei Quadratmeter Fliesen zu reinigen; in immer kürzeren Abständen ging ich zum Fenster, sog die Gartenluft ein. Am Rahmen, auf der Höhe der mittleren Scharniere, war Lack abgeblättert; die dunkle Stelle hatte die Form einer Bohne, ich konnte mich nicht daran sattsehen. Gedankenverloren strich ich mir das Haar aus der Stirn, bemerkte erst, als es zu spät war, daß ich noch die schmutzigen Gummihandschuhe trug. Als ich mir das Gesicht waschen wollte, war der Seifenbehälter über dem Waschbecken leer.
    Lucchi war mir gefolgt; er stand jetzt in der Tür.
    Â«Was wollen Sie? Grad haben Sie mich noch aus Ihrem Zimmer

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