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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gejagt.» Ich ließ heißes Wasser über meine Hände laufen, drehte den Kaltwasserhahn auf, als der Schmerz unerträglich wurde.
    Er trat zwei Schritte vor und zog die Tür hinter sich zu. «Na, hab’ ich Ihnen zuviel versprochen? Man müßte mal die Besucher hierherführen, damit sie sehen, wozu die netten alten Herren im Ohrensessel fähig sind.» Er lachte.
    Ich warf einen Blick auf Lucchis Hände. Die Nägel waren gefeilt, sauber.
    Â«Verdächtigen Sie mich?»
    Â«Nein. Sie ekeln sich zu sehr vor sich selber, Herr Lucchi. Aber vielleicht haben
Sie
einen Verdacht?» fragte ich.
    Â«Der Tatort ist zu weit von meinem Zimmer entfernt. Ich kann Ihnen leider keine nützlichen Hinweise geben. Psychologisch ist der Fall natürlich interessant.» Lucchi stützte sich mit der flachen Hand an der Mauer ab. Er hatte das Putzmittel übersehen, es mit seinem Fuß umgestoßen.
    Â«Merken Sie eigentlich nicht, daß Sie hier im Weg sind? Ich bin noch nicht fertig.»
    Â«Schon gut, ich geh’ gleich wieder.» Er drehte sich um, fuchtelte mit seiner Rechten: «Sie wollen mich draußen haben? Bitte schön.» Die angedeutete Verbeugung kostete ihn beinahe das Gleichgewicht; ich mußte Lucchi kurz stützen, dabei hinterließen meine nassen Hände Flecken auf seinem Hemd.
    Â«Tut mir leid», sagte ich.

XIV
    Â«Ich habe einen Mann gefunden, der mir die Füße küßt, und ausgerechnet jetzt soll ich mit dir nach Rom fahren?» Irma saß mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, sie legte ihr Kinn in das V zwischen die Knie.
    Â«Er hat ein Recht darauf zu erfahren, wer sein Vater ist», sagte Davide am anderen Ende der Leitung.
    Florian hatte im Kindergarten vor seinem Freund behauptet, Davide sei sein Papa. Wie erklärte man einem Dreijährigen die Folgen einer kurzen Affäre? Irma besaß nichts von Rino, sie wußte nicht einmal sein Geburtsdatum. Auf seiner Nummer hatte sich nie wer gemeldet; die Briefe und E-Mails waren unbeantwortet geblieben.
    Der Zufall, diese Lebensmacht, diese Todesmacht. Irma nahm den Bleistift zur Hand, notierte das letzte Wort auf dem Schmierzettel. Sie wollte sich Rino nicht einmal mehr vorstellen, denn solange sie sich ihn vorstellte, gab sie dem Zufall eine weitere Chance.
    Davide wechselte das Thema, er bestand darauf, alles über Friedrich zu erfahren. «Hat er einen guten Arsch? Habt ihr gefickt? Nun sag schon. Du schickst mich mit Florian auf den Spielplatz, da wirst du doch die Zeit genützt haben?»
    Irma schwieg.
    Â«Verstehe. Du hast nicht. Du bist ja auch nicht dein Bruder, der mit verheirateten Männern rumvögelt.»
    Â«Richard? Mit verheirateten Männern?» Irma setzte sich gerade hin.
    Â«Das weißt du doch», sagte Davide.
    Â«Du hältst das aus?»
    Â«Was bleibt mir anderes übrig.»
    Florian drehte den Kassettenrekorder lauter, er wippte mit den Beinen, suchte Irmas Blick, lachte. Sie brauchte nur nach dem Telephon zu greifen, schon tat er alles, um sie zu stören.
    Â«Wir sollten heiraten, dann kann ich Florian adoptieren. Was sagst du dazu?»
    Â«Eine glänzende Idee», sagte Irma. «Zur Not kannst du mir dann auch in ein paar Jahren mit einer neuen Niere aushelfen, unter Partnern sind Lebendspenden ja erlaubt.»
    Davide schwieg. Alles, was mit Blut und Operationen zu tun hatte, machte ihm angst. Er war kein einziges Mal im Krankenhaus gewesen, weil er fürchtete, ohnmächtig zu werden.
    Â«Die geht nicht kaputt», sagte er nach einer Weile. «Komm, laß uns eine Art Wohngemeinschaft gründen. Ich kümmere mich um Florian und koche, und du kannst in Ruhe an deinen Projekten arbeiten.»
    Â«Ich glaube, die Schlümpfe können auch ein bißchen leiser singen», sagte Irma zu Florian. Sie strich ihm übers Haar, er entwand sich ihr, schüttelte den Kopf, hüpfte im Kreis.
    Â«Du brauchst nur ja zu sagen, dann suche ich nach einer größeren Wohnung. Ich will hier raus. Richard ist zu feige, mich vor die Tür zu setzen.»
    Â«Das hat doch keinen Sinn. – Florian – bitte! Nur zwei Minuten, dann spielen wir Memory.»
    Â«Ich besorge die Tickets», sagte Davide.
    Â«Welche Tickets?» fragte Irma.
    Â«Nach Rom, meine Liebe.»
    Florian war in Irmas Bett eingeschlafen, er hielt sich am eingerollten Leintuch fest, als wolle er sich irgendwo abseilen. Tagsüber träumte er immer

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