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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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nichts mehr getan, seit Marisa ausgezogen ist», sagte Rino, «schau besser nicht hin.» Er zeigte auf die vergilbten Tapeten im Vorzimmer, die sich da und dort wellten. «Schau lieber mich an.» Als ich nicht reagierte, fragte er mich, wie es seinem Onkel gehe. «Er ist schwul», wollte ich sagen,aber ich schwieg, wie ich es versprochen hatte. «Du solltest ihn öfter besuchen», sagte ich, «er hat niemanden.»
    Â«Er hätte schon, aber er hat sie alle vergrault mit seinen Launen. Er kann sich einfach nicht zusammenreißen.»
    Â«Muß er das? Die Alten müssen sich immer benehmen, irgendwelchen Anforderungen genügen. Wie oft höre ich das:
Mama, wie du dich aufführst! Papa, das ist deinem Alter aber nicht angemessen!
Wer bestimmt das eigentlich?»
    Â«Hehehehe», Rino schaute mich an. «Warum denn gleich so aggressiv?»
    Er stand hinter mir; ich roch seinen Atem. Er hatte getrunken. Die Proseccoflasche, die er aus dem Kühlschrank genommen hatte, war bereits halbleer.
    Â«Schaust du dir auch Filme an oder nur Kinosäle?» fragte ich.
    Rino berührte meinen Rücken. «Ehrlich gesagt, habe ich ein Faible für Filmfehler. Ich bin ständig auf der Suche nach verschwindenden Requisiten, die irgendwann wieder auftauchen, nach Equipment, das plötzlich sichtbar wird, oder nach historischen Unmöglichkeiten.»
    Vielleicht hätten wir uns besser für unsere Lebensfehler interessiert, dachte ich. Als er meinen Nacken massierte, schloß ich die Augen.
    Â«Es gibt einen Bibel-Film aus dem Jahr 1966, da hat Adam einen Nabel», sagte Rino. «Manche Anschlußfehler hängen damit zusammen, daß der Rohschnitt auf die Hälfte runtergekürzt wird. In
Pretty Woman
zieht Julia Roberts Richard Gere in einer Park-Szene die Schuhe aus, die er in der nächsten Einstellung wieder anhat. Wahrscheinlich hat man einen Dialog herausgestrichen, in dem Gere wieder in die Schuhe schlüpft.» Ich spürte seine Lippen an meinem Ohrläppchen. «Und du», sagte er leise, «willst du dich nicht ausziehen?»
    Â«Wenn ich in der nächsten Einstellung noch nackt bin –»
    Â«In der Liebe kann man keinen Fehler machen», sagte Rino.
    Als ich aufwachte, war die Sonne verschwunden. Zwischen den Beinen spürte ich ein leichtes Ziehen. Rino hantierte in der Küche; er bereitete wohl das Abendessen zu. Und wenn sich Vittorio auch in Parks herumtreibt? Wenn er Hunderte von Kontakten gehabt hatte?
    Das Kissen roch nach Schweiß und Zigarettenrauch. Auch das Leintuch war lange nicht mehr gewechselt worden. Ich entdeckte Flecken auf Rinos Seite, suchte nach Haaren, die nicht die meinen waren.
In der Liebe kann man keinen Fehler machen.
Sie lügen alle, dachte ich. Man braucht nur ein bißchen zu schnüffeln, schon überführt man sie. Blick für Blick entreißt man ihnen ihre Geheimnisse, wenn man erst die Brille abgenommen hat. Aber Beweise – ich habe keine Beweise. Ich drehte mich auf den Bauch, schob die Hände unter meinen Körper. Es gibt nicht einmal etwas einzurenken. Keine Möglichkeiten. Ich war ja nie gemeint, auch im Geschäft nicht, als er mich das letzte Mal gefickt hat. Sex ohne Anlaufzeit. Aus dem Stand.
    Ich hatte nicht bemerkt, daß Rino ins Zimmer gekommen war.
    Â«Ausgeschlafen, meine Liebe?» Er versuchte mich zu sich zu drehen. «Es gibt Pasta.» Ich verlor meine Beherrschung, es schüttelte mich.
    Â«Was hast du?» fragte Rino. «Hab’ ich was falsch gemacht?»
    Wofür soll ich kämpfen, dachte ich. Wogegen. Vittorio läßt mir keine Chance. Da bleibt nichts mehr übrig.
    Ich drehte mich zu Rino, legte meinen Kopf auf seine Schenkel. Seine Finger dufteten nach Knoblauch. «Gewissensbisse?» fragte er vorsichtig.
    Ich schüttelte den Kopf, dachte daran, wie mich Rino nach der Arbeit abgefangen hatte, an seine Worte, als ich ihm erzählte, ich sei von meinem eigenen Mann zum Abendessen eingeladen. «Du hattest recht», sagte ich zu Rino, «Vittorio und ich sind miteinander essen gegangen, weil ihn Schuldgefühle plagen.»
    Rino schwieg, strich über meine Haare.
    Â«Aber die Ehe – die war gut», sagte ich. Fürsorglich, respektvoll, dachte ich, keine Sekunde langweilig. Ich stand auf, trocknete mit dem Handrücken die Augen. Meine Beine fühlten sich kraftlos an. «Laß uns essen», sagte ich.
    Im Innenhof wurden

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