Über Stock und Runenstein
Tante Hilda und ich könnten eine Imbißstube
aufmachen. Wir könnten Sandwiches und heißen Kaffee verkaufen — «
»Und alle möglichen Trunkenbolde würden
hier hereintorkeln auf ihrem Weg zurück von New Hampshire«, spottete ein
sauertöpfisch dreinblickender Cousin dritten Grades, der wußte, daß er auf
keinen Fall eine Chance hatte, ein Stück vom Familienkuchen abzubekommen, aber
nicht widerstehen konnte, seinen Standpunkt, was allgemeine Prinzipien betraf,
zu äußern.
»Und wenn schon«, rief Hilly zurück,
»deren Geld ist genauso viel wert wie deins, oder etwa nicht?«
»Und sie trennen sich verdammt viel
leichter davon als du«, höhnte jemand, der den Cousin dritten Grades noch nie
hatte ausstehen können.
»Ich muß sagen, es ist eine Wohltat,
zur Abwechslung mal kluge Köpfe auf jungen Schultern zu sehen«, meinte eine
gewichtige angeheiratete Tante, die sich mit dem Pfarrbrief vom letzten
Sonntag, den sie bei der Totenmesse mitgenommen hatte, Luft zufächelte, da sie
stark unter der Hitze litt. »Hör bloß auf diese Kinder, Henny. Laß dich nicht
in irgendeine Sache hineindrängen. Das tue ich auch nie. Hilly, Liebes, da du
so gerne als Kellnerin arbeiten würdest, wie wär’s, wenn du deiner armen, müden
alten Tante ein Glas Wasser bringen würdest?«
»Für die, die’s wollen, gibt’s
Limonade«, klärte sie Miss Hilda auf, die gerade mit einem Krug und einem
Tablett Gläser aus dem Haus kam. »Womit aber niemand gemeint is’, der nich’ mal
Manieren hat un’ einfach bei ‘nem Trauerfall in’n Familientreffen reinplatzt.
Um dämlich rumzuschwafeln«, fügte sie mit einem wütenden Blick hinzu, den nicht
einmal Mrs. Fescue ignorieren konnte.
»Natürlich nicht, Miss Horsefall«,
erwiderte die Mäklerin mit honigsüßer Stimme. »Ich muß mich jetzt sowieso auf
den Weg machen. Ich wollte Ihnen nur einen Gefallen tun und Sie wissen lassen,
woher der Wind weht, bevor es zu spät ist. Sie haben meine Geschäftsnummer, Mr.
Horsefall, für den Fall, daß Sie meine Hilfe noch brauchen.«
Kapitel
13
W enn man bedenkt, wie’s dem armen Teufel
ergangen is’, der als letzter von Loretta Hilfe bekommen hat, würd’ ich’s mir
an deiner Stelle noch mal durch’n Kopf gehn lassen, Henny«, kicherte Fergy,
während er dankend sein Glas Limonade in Empfang nahm. »Danke vielmals, Miss
Hilda, aber ich möcht’ mich der Familie wirklich nich’ aufdrängen.«
»Zum Henker, du bis’ doch kein Fremder!
Gehörs’ doch auch zur Familie«, versicherte Miss Hilda. »Hilly, hol mal ‘n
Stück Schichttorte für Fergy. Jolene hat sie gebacken, is’ aber trotzdem ganz
gut geworden. Professor, woll’n Sie auch noch ‘n Stück?«
»Vielen Dank, aber meine Frau hat mich
bereits mit einem Riesenmittagessen versorgt, bevor ich weggefahren bin«,
erwiderte Shandy.
»Der is’ ers’ seit Januar verheiratet
un’ is’ noch nich’ wieder normal geworden«, erklärte Miss Hilda lautstark der
Tante, die unter der Hitze litt. »Na, wer kommt denn da noch? Ah, der Postbote.
Sicher wieder ‘n Haufen Beileidskarten von Leuten, die zu faul sind, ‘n
ordentlichen Brief zu schreiben. Hol sie mal her, Ralphie.«
Ralphie gehorchte. Die alte Dame
überflog die Handvoll Briefe, wobei ihre Brille unten auf der Nasenspitze saß und
sie die Umschläge auf Armlänge weghielt, um sie lesen zu können.
»Hier is’ auch einer für dich, Henny.
Wahrscheinlich ‘n Einberufungsbefehl von General Pershing. Wie die Regierung
heutzutage arbeitet, is’ ‘ne echte Schande. Früher ham wir zwei Cent für’n
Brief bezahlt un’ ‘nen Penny für ’ne Postkarte, un’ die Post kam zweimal am
Tag. Jetz’ geht man schon bald bankrott, wenn man sich ‘ne Briefmarke leisten
will, un’ Gott weiß, wann das Zeugs überhaupt ankommt. Na, mach ‘n schon auf,
zum Donnerwetter. Was steht ‘n drin?«
»Nu spring doch nich’ gleich für jeden
Mist aus’m Korsett, Tante Hilda, ‘n alter Mann is’ doch kein D-Zug. Was issen
das? Also, da will ich doch glatt inner Hölle braten!«
»Wirs’ du todsicher sowieso, brauchs’
gar nich’ auch noch damit zu strunzen in ’nem Trauerhaus. Jetz’ mach schon ‘n
Mund auf, un’ erzähl.«
»Moment, hetz mich doch nich’ so.«
Henny reichte Shandy den Brief. »Lesen Sie’s auch mal, Professor, ich will
sicher sein, daß ich’s auch richtig verstanden hab’. Ich hoff’ bloß, daß er
bekloppt is’ un’ nich’ ich.«
Shandy überflog die Seite,
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