Über Stock und Runenstein
grad’ so nett gesagt hast.«
Hilly schlang beide Arme um den dürren
Hals des alten Mannes. »Hör nicht auf den blöden alten Bertie, Onkel Henny. Du
lebst noch so lange, daß du später meinen Enkeln noch all die schrecklichen
Lügengeschichten erzählen kannst, die du uns immer erzählt hast, und Tante
Hilda wird ihnen Lebkuchenmännchen backen wie früher für uns. Ich rechne mit
euch!«
»Marie, ich möchte dir nur sagen«,
überraschte Jolene plötzlich die ganze Gesellschaft, »daß ich so stolz auf
Hilly bin, als wär’ sie meine eigene Tochter. Und auf Ralphie auch, nachdem er
so für seine Familie eingetreten ist!«
»Und auch für eure Familie, denn ihr
verdient es wirklich. Ich hoffe, eure Kinder wissen ihre Eltern zu schätzen«,
antwortete Marie.
»Lieber Herrgott«, wunderte sich Miss
Hilda, »wenn das nötig is’, damit ihr endlich mal ordentlich mit’nander redet,
dann holen wir Adalbert man besser sofort wieder her, un’ ich hau’ ihm noch
eins übern Schädel.«
Henny lachte herzlich, und Shandy
freute sich darüber, denn er hatte das ungute Gefühl, daß dies möglicherweise
für die nächste Zeit das letzte Mal sein würde, daß der alte Mann Grund hatte,
aus vollem Halse zu lachen.
Inzwischen war es Shandy gelungen,
seine Freunde zu orten. Laurie und Roy standen mit ein paar kleinen Kindern am
Hühnerstall und betrieben Verhaltensforschung an den geliehenen Gänsen. Tim
demonstrierte offenbar einigen halbwüchsigen Eddies und Ralphs, wie man
Erdproben entnahm und auswertete. Allem Anschein nach ging es ihnen allen gut,
daher ließ Shandy es dabei bewenden, ihnen lediglich zuzuzwinkern, um sie
wissen zu lassen, daß er in der Nähe war, und ging allein weiter, um über die
neueste Entwicklung nachzudenken.
Jeder, der es fertigbrachte, zu einem
derartigen Zeitpunkt einen solchen Schlag auszuteilen, würde vor nichts
zurückschrecken. Shandy war nicht nur bereit zu glauben, sondern inzwischen
sogar davon überzeugt, daß Nutie der Schleimer seinen Vetter ermordet hatte und
dasselbe Schicksal auch Cronkite Swope zugedacht hatte, was jedoch die freundliche
Geste der jungen Frau vereitelt hatte. Aber wie hatte er seine Pläne in die Tat
umsetzen können? War er in der letzten Nacht hier gewesen? Es war sicher nicht
schwierig gewesen, im Schutz der wilden Horden auf den Hof zu kommen.
Vielleicht hatte er sich einen falschen Bart angeklebt, eine Frauenperücke
aufgesetzt oder sich sonst irgendwie verkleidet und sich an den jungen Swope
herangepirscht, bis er den richtigen Moment für einen neuen Anschlag gekommen
sah.
Aber warum ausgerechnet Swope? Vielleicht
hatte Lumpkin eine alte Rechnung mit dem jungen Reporter zu begleichen?
Möglicherweise war es besonders einfach, auf einen jungen Mann, der auf einem
leichten Motorrad hin und her preschte, einen Anschlag zu verüben. Ein zweiter
Mord war vielleicht Teil der Kampagne gegen die Horsefall-Farm. Vielleicht
sollte damit der Tod von Spurge nur ins rechte Licht gerückt werden, so daß
jeder sehen konnte, daß er Teil eines Plans war, oder um glauben zu machen, daß
alles eine direkte Folge des Wikingerfluches war, so daß die Polizei sich nicht
zu viele Gedanken darüber machte, warum ausgerechnet das Haupthindernis, das
zwischen Nute und dem Erbe stand, bequemerweise beseitigt worden war.
Vielleicht hatte Nute außerdem herausgefunden, daß das angeblich große Vermögen
viel kleiner war, als er zunächst angenommen hatte, und hoffte, diesen Nachteil
durch die unverschämte Anzeige gegen die Horsefalls wieder wettzumachen.
Dummerweise hatte Nute tatsächlich gute
Chancen, mit der Klage durchzukommen. Es war offiziell bekannt, daß er versucht
hatte, Hennys und Hildas Vormundschaft über seinen Vetter zu verhindern, mit
dem Argument, daß sie nicht in der Lage seien, sich angemessen um Spurge zu
kümmern. Er könnte sich jetzt entrüstet über den damaligen Gerichtsbeschluß
zeigen und behaupten, das habe er ja gleich gesagt, und würde
höchstwahrscheinlich einen beträchtlichen Teil der Öffentlichkeit auf seiner
Seite haben, was auch immer das bedeutete.
Mrs. Lomax hatte gemeint, Miss Hilda
Horsefall habe es fertiggebracht, sich während ihres langen und offenbar
skandalreichen Lebens eine Menge Feinde zu machen. Und Henny war nicht gerade
jemand, den man als faszinierende Persönlichkeit bezeichnen konnte, und
vielleicht würden nicht viele Menschen seine Partei ergreifen. Zweifellos hegten
zahlreiche seiner Nachbarn die Ansicht,
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