Über Stock und Runenstein
wobei seine
Wut von Zeile zu Zeile zunahm. »Ja, da soll mich doch! Dieses verdammte A...!
Verzeihung, Miss Horsefall, aber das kann er doch nicht machen!«
»Sieht aber ganz so aus, als ob er’s
schon gemacht hätt’, oder nich’?« fragte Henny.
»Was denn nu?« schrie Miss Hilda.
»Canute Lumpkin hat offenbar Anzeige
erstattet gegen Mr. Hengist Horsefall und Miss Hilda Horsefall, die
gesetzlichen Vormünder seines Vetters Spurgeon, und zwar wegen grober
Fahrlässigkeit, was zum Tode des besagten Spurgeon geführt habe, da man ihn mit
einer gefährlichen Substanz habe arbeiten lassen, ohne daß Sicherheitsmaßnahmen
getroffen wurden oder er vorher angemessen instruiert wurde. Lumpkin verlangt
eine Million Dollar Schadenersatz.«
»‘ne Million Dollar?« schnaubte Miss
Hilda. »Soll er doch zur Hölle fahren! Wie kommt Nutie denn auf die verdammte
Schnapsidee, daß wir soviel Geld haben?«
»Eine Million Dollar?« Von allen Seiten
ertönten ungläubige Schreie. »Der ist wohl total übergeschnappt!«
Im folgenden Wortschwall wurde Nutie
der Schleimer mit den verschiedensten Bezeichnungen bedacht, von denen man die
meisten am besten nicht wiederholen sollte. Zerreißen, vierteilen, in siedendem
Öl kochen, ihm die lausigen, verfaulten Eingeweide einzeln herausreißen und mit
Nagelschuhen plattstampfen wurden als angemessene Bestrafung für seine
unverschämte Forderung vorgeschlagen. Viele Stimmen gaben außerdem dem Gefühl
Ausdruck, man könne ihm genauso gut die Gurgel durchschneiden und das Ganze
wäre ausgestanden. Nur der bereits bekannte sauertöpfische Cousin dritten
Grades schien dem Brief gewisse positive Aspekte abzugewinnen.
»Jetzt kannst du nur noch eins tun,
Henny. Hol schnellstens die Fescue her, mach das Geschäft perfekt, stopf dir
das Geld in deinen Sparstrumpf und fahr nach Paraguay.«
»Paraguay? Un’ was zum Teufel soll ich
da?«
»Dieser Lumpkin schmeißt dir doch ‘n
Bombengeschäft direkt vor die Füße! Der erwartet natürlich gar keine ganze
Million. Der wird sich mit dem zufrieden geben, was er von eurem Besitz kriegen
kann, was bestimmt ‘n ganz schönes Stück ist, wenn Gunder Gaffson schon so
scharf drauf ist, wie Mrs. Fescue behauptet. Du wärst verrückt, wenn du nicht
abspringen würdest, solange du noch alle Eisen im Feuer hast, Onkel Henny. Das
dauert bestimmt noch Jahre, bis das Gericht dazu kommt, sich den Fall
vorzuknöpfen. Bis dahin seid ihr beiden sowieso schon längst unter der Erde — «
»Du willst wohl ein paar aufs Maul,
Adalbert?« fragten die Großneffen Ralph und Eddie wie aus einem Mund.
»Was regt ihr euch denn so auf? Ich
versuch’ bloß, etwas gesunden Menschenverstand in diesen alten — «
Miss Hilda verschwendete nicht einmal
ein einziges Wort, sondern reichte Jolene kurzerhand den Limonadenkrug und
Marie die Gläser und ließ dann das schwere Metalltablett krachend auf Adalberts
Schädel heruntersausen.
»Meinen Neffen beschimpf’ ich schon
selbs’, wenn’s nötig is’, vielen Dank auch. Du wars’ schon immer ‘n
scheußliches, gerissenes kleines Saunickel, Adalbert. Wieso deine Eltern dich
überhaupt großgezogen ham, hab’ ich sowieso nie kapiert. Un’ wenn ich dich
jetz’ so seh’, kann ich nich’ sagen, daß sich ihre Müh’ gelohnt hat. Wennste
nich’ mein eigen Fleisch un’ Blut wärs’, wenn auch ‘n verdammt mickriges
Exemplar um drei Ecken, würd’ ich Henny sagen, er sollt’ dich mit der Mistgabel
vom Hof jagen. Wir ham schon genug Probleme am Hals ohne dein verdammtes
Mundwerk un’ all den Quatsch mit Paraguay. Was bin ich froh, daß ich nich’
deine richtige Tante bin, Gott sei’s gedankt, dein Großvater war bloß mein
Vetter, un’ näher will ich mit dir auch gar nich’ verwandt sein. Also fang bloß
nich’ an, ‘s Maul aufzureißen, wo’s dir gar nich’ zusteht!«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«,
erwiderte Adalbert mit den Resten von Würde, die er noch zusammenkratzen
konnte. »Da ich hier unerwünscht zu sein scheine, verschwinde ich lieber
wieder. Sagt aber später bloß nicht, ich hätt’ euch nicht gewarnt, wenn ihr auf
der Straße steht und kein Dach mehr über dem Kopf habt.«
»Das müßt’ schon ‘n verdammt kalter Tag
inner Hölle sein, wenn wir unsre Füße in dein Haus setzen würden«, erwiderte
Henny. »Tante Hilda un’ ich haben hier so lang ausgehalten, daß ich glaub’, wir
schaffen den Rest auch noch irgendwie, da wir ja sowieso nich’ mehr lang haben,
wieste
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