Überfällig
Kommandant wenigstens auf individuelle Steuerung hätte umschalten können.
Ich sah, wie er fluchend an den Schaltern zerrte und immer wieder auf den rotmarkierten Hebel schlug, der grundsätzlich sämtliche Automatstromkreise unterbrechen mußte. Diesmal tat er es nicht. Wir rasten im immer steiler werdenden Sturzwinkel auf die Oberfläche des Mondes zu.
TS-19 hatte meine Fußfessel sofort gelöst, damit ich in den Raumanzug schlüpfen konnte. Es wäre im echten Notfall seine Pflicht gewesen, so daß es bei einer späteren Untersuchung nicht auffallen konnte.
Wir wußten aus den Belehrungen, daß wir knapp dreieinhalb Minuten Zeit hatten, um die Schutzkleidung über die Körper zu streifen. Zu meiner großen Erleichterung konnte ich sehen, daß die Männer in der Kanzel mit wenigen geübten Bewegungen ein Gleiches taten und bereits die Klapphelme schlossen.
Miller wurde nach mir fertig. Ich lag schon festgeschnallt auf dem Konturlager, als ich seine Magnetverschlüsse einrasten hörte.
Für genaue Kontrollen der Sauerstoff- und Klimaanlagen war keine Zeit mehr. Das Schiebeluk stand noch offen, und so konnte ich einen kleinen Ausschnitt jener Landschaft sehen, auf die wir nun zurasten.
Die Rufe der Piloten wurden plötzlich von eher anderen Stimme überlagert. Jemand schrie durchdringend:
»SS-235 – Schiff SS-235 – hier Fernlenkstation Luna-Port. Wir haben Sie im Tasterstrahl. Sie stürzen. Sie weichen vom Landekurs ab. Schalten Sie sofort auf Fernsteuerung um. Sofort umschalten! Kommandant, Befehl von Luna-Port, sofort auf bodengebundene Fernsteuerung umschalten. Was ist bei Ihnen los? Melden, bitte melden, sofort melden. Sie stürzen.«
Die Stimme dröhnte explosionsartig in meinem Helm. Die Funkempfänger der Raumanzüge lagen auf der gleichen Sprechfrequenz wie die des Schiffes. Wir hatten Lina-Fort also längst überflogen, und auch das gekörte zum Programm.
Unser Chefpilot gewann seine Ruhe zurück. Der Mann hatte Nerven.
»Captain Rachet an Luna-Port. Melde Ausfall Robotsteuerung und Ausfall Fernsteueranlage. Es ist trotz aller Bemühungen unmöglich, auf Individualbetrieb umzuschalten. Gesamte Anlage blockiert. Grund unverständlich und rätselhaft. Vermute Sabotageakt, da alle Geschehnisse zu augenfällig zusammentreffen. Ende der Meldung. Wir können nur noch hoffen. An eine Beseitigung der Schäden ist nach der Sachlage nicht zu denken. Es dürfte gleich eine saubere Himmelfahrt gelben.«
Dann schaltete er einfach ab. Ich konnte nur noch staunen. Im Helm zischte der Sauerstoff. Es war ein beruhigendes Gefühl zu wissen, daß eine Beschädigung der Außenzelle nicht mehr den unmittelbaren Tod zur Folge haben körnte.
Meine Blicke hingen förmlich auf der Spezialuhr. Nach drei Zehntelsekunden mußte das Triebwerk mit vollster Wucht einsetzen, sonst sahen wir uns den Trabanten in der Tat von innen an.
TS-19 rief mir etwas zu, was ich nicht verstehen konnte. Oben brüllte nämlich der Navigator schreckliche Flüche und Verwünschungen. Er reagierte seine ›letzten Minuten‹ so ab, wie es seiner Art entsprach.
Die drei Zehntelsekunden waren um. Ich fühlte schon meinen Angstschweiß ausbrechen, als es geschah.
Mit einem fürchterlichen Tosen wurde der bisher flatternde Arbeitston der Plasma-Brennkammer stabil. Nein – er wurde mehr als stabil!
Was uns da zugemutet wurde, hatte man in den Instituten nur versuchshalber und für wenige Sekunden erprobt. Wir bremsten mit wenigstens achtzehn Gravos, was uns mit einer solchen Wucht auf die Lager preßte, daß die stabilen Federaufhängungen kreischend auf den Boden
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