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Überfällig

Überfällig

Titel: Überfällig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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Mu­tant be­haup­te­te bei­spiels­wei­se, daß er von sei­ner Pa­rap­si-Ga­be erst spät er­fah­ren hät­te – zu ei­nem Zeit­punkt, als er und sei­ne Lei­dens­ge­nos­sen in größ­te Le­bens­ge­fahr ka­men, wenn sie nur ein Wort der Ver­stän­di­gung aus­tausch­ten. Es gab im ra­dio­ak­tiv ver­seuch­ten Ge­biet des Ama­zo­nas Le­be­we­sen, die mit ei­nem un­glaub­lich gu­ten Ge­hör dar­auf rea­giert hat­ten. Die Na­tur scheint für al­le mög­li­chen La­gen einen Aus­gleich zu schaf­fen.
    Un­se­re Pa­ra­psy­cho­lo­gen wa­ren neu­er­dings da­von über­zeugt, daß es un­ter der Erd­be­völ­ke­rung vie­le zehn­tau­send Men­schen gab, die ih­re Ga­ben nicht oder nur schat­ten­haft er­kannt hat­ten. Sie hat­ten sich noch einen ur­sprüng­li­chen Sinn be­wahrt, den wir oft­mals als den sechs­ten be­zeich­ne­ten.
    Ha­ben Sie sich schon ein­mal ge­nau ge­tes­tet, wenn Ih­nen ei­ne un­ver­ständ­li­che, ja rät­sel­haf­te Stim­me zu­flüs­tert oder ein­gibt, Sie stün­den ei­ner Ge­fahr ge­gen­über? Was ist das? Nor­mal? Dr. Hat­teras be­zeich­ne­te es als ur­sprüng­lich nor­mal. Das aber, was wir als nor­mal an­sa­hen, war für ihn ver­küm­mert. Dem mo­der­nen Men­schen schie­nen tat­säch­lich ei­ni­ge be­deut­sa­me Sin­ne ab­han­den ge­kom­men zu sein.
    Ich schreck­te aus mei­nen Ge­dan­ken auf, als TS-19 den Helm schloß und die An­la­ge über­prüf­te.
    Er ver­ab­schie­de­te sich mit den Wor­ten:
    »Wir sind im­mer da, Sir. Not­ru­fe sind be­kannt. Wir rea­gie­ren so­fort dar­auf. Über mei­nen Richt­strah­ler ge­be ich Ih­nen lau­fend Nach­rich­ten von Lu­na-Port durch. Sie lie­gen hier zu tief. Ul­tra­kur­ze Wel­len ge­hen mit der Ober­flä­chenkrüm­mung über Sie hin­weg. Viel Glück, Sir.«
    Han­ni­bal wink­te. Es war ei­ne zag­haf­te Ges­te, als woll­te er jetzt schon auf­ge­ben.
    Der drau­ßen mit dem Mond­pan­zer war­ten­de Ver­bin­dungs­mann brauch­te uns nicht zu se­hen. Wir war­te­ten, bis TS-19 die Ab­fahrt über Funk­sprech durch­gab. Dann klapp­ten auch wir die Hel­me zu. Im Raum Jä­ger er­losch das schwa­che Ka­bi­nen­licht. Wir pas­sier­ten nach­ein­an­der die en­ge Schleu­se. Mir war, als hät­te ich end­gül­tig das letz­te Stück­chen fes­ten Bo­dens ver­las­sen.
    Han­ni­bal leuch­te­te mich mit sei­nem star­ken Brust­schein­wer­fer an. Da­nach hör­te ich sein rau­hes La­cher.
    »Aha, es geht schon los, wie? Ver­ständ­lich, Großer, zu ver­ständ­lich. Die Schei­be da – die ist auf der Er­de ge­baut wor­den. Tau­sen­de von Men­schen ha­ben an den Ein­zel­tei­len ge­ar­bei­tet. Wir ha­ben da­mit ein Stück Er­de und den Geist des Men­schen mit­ge­nom­men. Jetzt aber ist das vor­bei. Vor uns liegt ein Bo­den, der dem Men­schen an­schei­nend nie­mals ge­hört hat, ob­wohl er die­sen ge­wal­ti­gen Ma­te­rie­klum­pen als ›sei­nen‹ Mond be­zeich­net. Der um­kreist nur zu­fäl­lig die Er­de. Er hat mit ihr so we­nig ge­mein, daß man bei dem Ge­dan­ken ver­zwei­feln könn­te. Ehe un­se­re Ur­ah­nen über­haupt aus den Höh­len kro­chen, dröhn­ten hier schon Atom­kraft­ma­schi­nen. Ehe die Sint­flut kam, war der Mond ei­ne be­leb­te Welt mit Was­ser, ei­ner Luft­hül­le und ei­ner si­cher­lich an­nehm­ba­ren Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur. Die Spu­ren fin­den wir noch über­all, wenn wir tief ge­nug un­ter die Bo­den­krus­te ge­hen. Jetzt fra­ge ich dich, mit wel­chem Recht wir sa­gen, das wä­re un­ser Mond.«
    Nie­mals zu­vor hat­te ich mei­nen vor­lau­ten und sel­ten ernst­haf­ten Kol­le­gen so spre­chen hö­ren. Er hat­te sich et­was rauh aus­ge­drück­te den we­sent­li­chen Punkt je­doch ge­nau ge­trof­fen.
    Ich sah nach­denk­lich auf den leuch­ten­den Punkt, der von mei­nem Schein­wer­fer ent­hüllt wur­de. Es war sein Ge­sicht hin­ter dem kla­ren Stahl­plas­tik des Druck­hel­mes. Das war nicht mehr je­ner Han­ni­bal, der ver­gnügt grin­send die tolls­ten Strei­che aus­führ­te. Er hat­te sich ir­gend­wie ver­än­dert, er war ein An­ge­hö­ri­ger des neu­en GWA-Raum­korps ge­wor­den, und das schi­en ihm al­ler­lei zu be­deu­ten.
    »Ge­hen wir«, brach­te ich schwer über die

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