Überfällig
Hinter dem riesenhaften Mund mit den voluminösen Lippen entblößten sich die ziel scharfen Knochenreihen. Zähne hatte er keine. Der mächtige Kopf saß übergangslos auf den titanischen Schultern. Die muskulösen Arme endeten in schaufelähnlichen Händen. Manzo hatte sich nicht verändert.
Er trug einen Raumanzug, den man speziell für ihn angefertigt hatte. Dadurch wirkte er noch gewaltiger. Es konnte einem Angst werden, wenn er nur zu einem tapsig wirkenden Schritt ansetzte.
Ich löste langsam die Magnetverschlüsse meines Helmes und ließ ihn in den Scharnieren nach hinten klappen. Es schmerzte in den Ohren, was mir bewies, daß die Druckverhältnisse nicht genau übereinstimmten. Meinen ersten Atemzug machte ich ausgesprochen vorsichtig. Gegen meinen Willen fiel mir die junge Frau ein, die wohl nicht mehr geheilt werden konnte. Auch sie hatte anscheinend von dieser Luft geatmet.
»Etwas weniger Sauerstoff, überhaupt dünn«, erklärte Hannibal. »Aber durchaus atembar. Es ist mir ein Rätsel, wieso die Luft noch so rein und frisch sein kann. Diese 187.000 Jahre gehen mir nicht aus dem Kopf.«
»Es gibt viele Dinge, die wir niemals verstehen werden«, warf der Mutant dröhnend ein. Seine weit vorstehenden Augen unter der vorgewölbten Stirn zeigten einen Schimmer, der mir nicht gefallen wollte. Dieses Lebewesen mit dem scharfen Parapsi-Verstand schien etwas zu fühlen, was wir nicht wahrnehmen konnten.
»Was ist?« fragte ich.
Der Kleine hielt die Luft an. Plötzlich verstand ich auch, warum er sich in einer derart nervösen Verfassung befand. Das war noch vorsichtig ausgedrückt.
Dominierend für die Depressionen war natürlich die Umgebung. Sie war unsagbar fremd, geheimnisvoll und von unbekannten Gefahren erfüllt. Ausschlaggebend war aber wohl Manzo gewesen. Er war kein normaler Mensch, und so erging er sich in Andeutungen und Redewendungen, die ihm gerade wegen seines Mutantentums abgenommen und geglaubt wurden. Wenn er seltsame Andeutungen über Dinge gab, die er mit seinen überentwickelten Sinnen schwach vernahm, ohne sie jedoch einwandfrei erklären zu können, so wirkte das wie eine seelische Dusche. Hätte es ein normaler Mensch gesagt, wäre man sehr viel leichter darüber hinweggegangen.
Ich stand nun einige Augenblicke vor ihm, und schon überkam mich ein unbestimmbares Gefühl innerer Panik, ich verstand den Kleinen voll und ganz.
»Hier ist viel«, entgegnete er langsam, mit nach innen gekehrten Blicken. »Sehr viel, Major, Der Kleine fragt auch immer, aber ich kann es ihm nicht genau sagen. Ich fühle etwas. Etwas kommt auf uns zu. Es wird mit jeder Stunde stärker. Ich höre …«
»Was hörst du?« fragte ich ihn lächelnd, jedoch fordernd. »Mach mir die Leute nicht verrückt, Manzo. Wir sind nicht hier, um seltsamen Gefühlen nachzugehen. Du solltest wissen, daß bei der GWA nur reale Tatsachen gelten.«
Er sah mich stumm an. Sein Blick schien sich zu verschleiern.
»Ja, ich weiß, Sir. Entschuldigen Sie. Ich kann aber nichts dafür, daß ich es höre. Vielleicht ist es Ultraschall oder andere Schwingungen, die Sie nicht aufnehmen können. Ich habe auch keine genaue Erklärung dafür.«
»Trotzdem klingt das schon viel vernünftiger«, meinte Hannibal etwas gereizt.
»Bist du fähig, die vielleicht unterbewußten Impulse von denkenden Lebewesen zu empfangen?« fragte ich zögernd. »Die unterbewußten, wohlbemerkt. Mir wurde gesagt, daß man sie nicht so leicht unter Kontrolle bringen und abschirmen kann, wie es einem guten Telepathen mit dem bewußten Inhalt des Geistes möglich ist.«
Unser monströser Freund mit den ausdrucksvollen Augen, die zweifellos die Spiegel seiner Seele
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