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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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erwiderte Toms Baß. „Rot-weiß — die Farben stimmen. Und am Lenker
fehlt der linke Gummigriff. Das hat mein technischer Scharfblick vorhin
registriert (festgestellt). Aber wo ist sie?“
    Sekunden
war Stille. Dann hob Locke die Stimme, als müsse sie einen Kirchenchor samt
Orgelbegleitung übertönen.
    „Giiiiina...!“
    „So
vertreibst du von der Waldmaus bis zum Rothirsch alles, was hier kreucht und
fleucht“, lachte Tom.
    Sucht mich!
Bitte, sucht mich! flehte Gina lautlos.
    Ihre
Oberlippe schmeckte nach Blut. Als wollte der Kerl ihr Gesicht zerdrücken, so
derb preßte er seine Hand auf ihren Mund.
    „Wir müssen
suchen“, sagte Locke.
    Metall
scharrte. Offenbar bockten sie die Motorroller auf.
    Etwa 30
Meter hatte sich der Verbrecher mit seinem Opfer vom Weg entfernt. Hier
lichtete sich die Landschaft, verdiente sich die Bezeichnung Moos, verzichtete
auf Bäume, stellte die Büsche weit auseinander und bot etwas kniehohes Gras
stattdessen — und vor allem: Goldenes Frauenhaar, Gabelzahn-Zypressenschlaf-
und Glockenhufmoos. Außerdem wuchsen hier Fettkraut, Rundblättriger Sonnentau
und Fieberklee. Und der Boden war so feucht, daß der Schritt darin schmatzte.
    Der Mond
beschien das offene Gelände. Aber es war nicht weit bis zur nächsten
Buschgruppe, die sich ausdehnte und bei Nacht sicherlich einem Irrgarten glich.
    Dem
Verbrecher ging es nicht schnell genug. Gina ließ sich hängen wie ein
Wäschesack. Sie zu schleifen, hemmte den Schritt. Wie ein Paket wollte er sie
unter seinen Arm klemmen. Dabei rutschte seine Hand von ihrem Mund.
    „Hiiilfe!“
schrie sie gellend.
    Er fluchte.
Beim Weg brachen Zweige, als wären Nato-Panzer zum Planieren (Einebnen) unterwegs.
    „Tom,
Locke! Hier. Ich...“
    Schmerz
raste durch ihr Genick. Es war ein harter Schlag. Sie fiel nach vorn, fiel
weich mit dem Gesicht auf Moos und hatte schon das Bewußtsein verloren. Eine
aufgeschreckte Listspinne flüchtete an ihrer Nase vorbei.

5. Wiedersehen mit dem Roten
     
    Tom stürzte
sich ins Dunkel der Büsche, sah nichts, fast nichts — jedenfalls, schützte mit
dem Unterarm Augen und Gesicht und rannte an gegen einen speerigen Ast,
denselben, an dem der Verbrecher sich beinahe aufgespießt hatte.
    Die Spitze
stieß ihm gegen den Magen. Tom verharrte wie festgeleimt. Ihm wurde übel. Eine
Hand auf die Magengrube gepreßt, spürte er, daß Hemd und Haut zerfetzt waren.
Er blutete. Aber schlimmer war die Tiefschlagwirkung: ein Schmerz, der sich bis
in die Nieren fortsetzte.
    „Worauf
wartest du?“
    Locke zog
ihn am Arm.
    „Blubb...
blubb“, machte er. „Mo... Moment! Habe mich fast selbst k.o. geschlagen, gerannt...
vielmehr gepfählt. Vorsicht, Herzblatt! Das Moos ist voller Fallen.
Wahrscheinlich gibt’s hier auch Tellermienen.“
    „Komm!“ Sie
hielt ihren Hut fest, teilte Büsche mit der anderen Hand und eilte in die
Richtung, aus der Gina gerufen hatte.
    Tom
betastete den Ast, knurrte was Unflätiges und zerbrach ihn mit einem
Handkantenschlag. Dann folgte er Locke.
    Die
Verzögerung hatte nur Sekunden gekostet.
    Aber als
das freie Gelände vor ihnen lag, war niemand zu sehen.
    Tom
streckte den Arm aus.
    „Dort
hinten wackeln Büsche. Der Rote verschleppt Gina. Ich hole sie ein. Mir nach,
Schönste! Aber langsam!“
    Er rannte
los. Locke stand nach wenigen Schritten bis zum Knöchel im Sumpf. Sie
quietschte, zog einen nackten Fuß heraus und war schon bereit, die Sandale
aufzugeben und halb-barfuß weiterzulaufen.
    In diesem
Moment stolperte Tom über ein Hindernis. Bei dem Affenzahn, den er draufhatte,
fing er das Gleichgewicht nicht
mehr, hechtete vielmehr und verlängerte den Sprung zu einer Rolle, wobei ihn
der Schreck durchfuhr, denn er hatte das Hindernis erkannt: Gina.

    Sekunden
später bemühten sich beide um die Bewußtlose. Gott sei Dank! Sie atmete. Der
Puls war kräftig. Jetzt stöhnte sie, als werde ein Alptraum durchlebt. Dann
blinzelten ihre dunklen Augen ins Mondlicht.
    Tom ließ
die Hand, mit der er ihr das Gesicht klatschen wollte, wieder sinken.
    „Wir
sind’s“, sagte Locke. „Keine Angst, Gina. Die Hilfe ist da. Fehlt dir was? Kannst
du sprechen?“
    Sie erholte
sich rasch. Stammelnde Worte fügten sich zu einem Bericht, während sie — von
den beiden gestützt — zum Radweg geführt wurde.
    „Also
doch!“ sagte Locke. „Komisch, daß immer die schlimmsten Befürchtungen wahr
werden, die guten Ahnungen nur selten. Dabei bin ich Optimist (Mensch von
zuversichtlicher

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