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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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des Dynamos schnurrte am Reifen. Das Licht der Lampe zuckte. Gina
blickte zu Boden, um kein Hindernis zu übersehen. Steine oder abgerissene
Zweige konnten die Strecke verändern. Diese Vorsicht drosselte zwangsläufig das
Tempo. So kam es, daß sie im Nachtschatten unter Bäumen nahezu im Schritt fuhr.

    Sie näherte
sich der Stelle, wo die Buschwände rechts und links den Radweg wie ein
Kanalbett einmauerten. Bäume mit ihrem Blätterdach wiesen das Mondlicht ab.
Aber mitten auf dem Weg — etwa in Kopfhöhe — glühte ein Punkt.
    Gina
erschrak, und ihre Beine stellten das Strampeln ein.
    Stand da
wer? Ohne Zweifel. Jemand rauchte. Deutlich sah sie die Glut, die jetzt, von einem
Lungenzug angefacht, aufleuchtete. Der schwache Schein erhellte das Gesicht. Es
war ein Mann.
    „Vorsicht!“
rief Gina, und ihre Stimme bebte. „Ich möchte vorbei. Bitte, treten Sie zur
Seite.“
    „Hier ist
genug Platz“, erwiderte eine Männerstimme. Sie klang blechern und ausdruckslos,
als hätte ein sprechender Roboter sein Tonband eingeschaltet.
    „Guten
Abend!“ sagte sie schüchtern.
    Ihr Rad
rollte noch, getrieben vom Schwung, der aber fast verbraucht war.
    „Ah!“ hörte
sie den Mann. „Du bist Gina Marano?“
    „Ja. Bitte,
lassen Sie mich durch. Der Weg ist hier so schmal.“ Wer ist das? dachte sie.
Woher kennt er mich?
    Er warf
seine Zigarette weg. Die Glut beschrieb einen Bogen, fiel auf die Teerdecke und
zerstob.
    Nur noch
eine Radlänge trennte Gina von der dunklen Gestalt, deren Umrisse jetzt zu
erkennen waren: mittelgroß, stämmig.
    Er trug ein
helles Hemd und hatte die Beine gegrätscht.
    Im letzten
Moment, als alles zu spät war, begriff Gina, daß der Mann ihretwegen hier
wartete. Daß er gelauert hatte auf sie. Sie begriff es, als sie auf gleicher
Höhe mit ihm war.
    Er brauchte
nur einen Schritt zu machen. Ein Arm umschlang sie. Sie wurde vom Rad gerissen.
Sie schrie. Sofort preßte sich eine Hand auf ihren Mund. Klirrend fiel ihr Rad
zu Boden. Sie erstarrte vor Schreck. Dann wollte sie sich wehren, während ihr
die Angst gräßliche Gedanken eingab. Aber es war zwecklos. Er schüttelte sie
wie ein jagender Hund seine Kleintierbeute, was für die dann den Tod bedeutet.
Gina wimmerte unter seiner Hand, die sie zu ersticken drohte. Schmerz
durchraste sie. Warum ich? dachte sie. Oh, hätte ich doch...
    „Wenn ich
mit dir fertig bin“, hörte sie seine Stimme an ihrem Ohr, „kannst du deinem
Vater ausrichten, daß er einen Fehler gemacht hat. Sein Geiz kommt ihn jetzt
teuer. Denn ich werde dir das Gesicht bearbeiten, mein Täubchen. Das
Rasiermesser habe ich immer dabei. Du wirst nicht mehr aussehen wie jetzt, und
das...“
    Er stockte.
    Gina war
einer Ohnmacht nahe. Ihre Beine versagten den Dienst und waren eingeknickt.
Aber in diesem Moment hörte sie das Motorengeräusch.
    Auch der
Mann hatte es gehört, denn das Motorrad — oder waren es zwei? — näherten sich
auf dem Radweg, aus Richtung Stadt.
    Er zerrieb
einen Fluch zwischen den Zähnen. Noch härter drückte er ihr die Hand auf den
Mund. Rückwärtsgehend schleifte er sie ein paar Schritte den Weg entlang — bis
zu einer Stelle, wo es möglich war, sich in die Büsche zu zwängen.
    Bevor
Zweige über ihr zusammenschlugen, sah Gina die Scheinwerfer; zwei,
hintereinander, noch entfernt, bei der Biegung des Weges. Aber sie näherten
sich.
    Der Kerl
zischte. Er war mit dem Kreuz gegen die Spitze eines abgebrochenen Astes
gelaufen, was ihn beinahe gespeert hätte. Hatte er sich verletzt? Er blieb
stehen, japste, hatte offenbar Schmerzen. Vielleicht überlegte er auch, ob es
sinnvoll sei, rückwärts zu laufen.
    Jeder
Knochen tat Gina weh. Sie spürte, daß ihr Tränen aus den Augen liefen. Wie
dieser Verbrecher sie geschüttelt hatte! Aber das war nichts gegen das, was er
tun wollte. Sie mit dem Rasiermesser... Nein! O Gott! Hilfe!
    Die
Motorräder näherten sich. Auch sie fuhren langsam. Es waren keine schweren
Maschinen, vielleicht nur Roller, denn das Knattern hing dünn in der Nachtluft
und war nicht weit zu hören.
    Der
Verbrecher ging jetzt seitwärts. Er schleifte sie mit, verfing sich aber in
einem Strauch und ruckte mit der Schulter, um seine Jacke vom Zugriff dorniger
Äste zu befreien.
    Die Roller
hielten.
    Bei meinem
Rad! dachte Gina. Das... müßte sie aufmerksam machen. Mein Rad liegt auf dem
Weg, und...
    „Tom!“
drang in diesem Moment Lockes frische Stimme durch die Nacht. „Das ist Ginas
Rad. Ich wette.“
    „Schon
gewonnen“,

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