Überfall nach Ladenschluß
die Ohren war ich in sie verknallt. Sie hieß auch Rehm, war
aber leider schon verheiratet. Sie war meine heimliche Liebe. Aber sie hat es
nie erfahren.“
„Wie
romantisch! War das hier in der Stadt?“
Er nickte.
Der Kellner brachte den Wein für ihn und die Limonaden für die Jugendlichen.
„Ich wurde
in dieser Stadt geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht“, sagte
Eichhorn, nachdem er den Chianti gekostet hatte. „Meine Flamme hieß Elisabeth!
Ja, Elisabeth Rehm.“
Locke hätte
fast ihr Glas umgestoßen. „Doch nicht etwa meine Oma?“
Eichhorn
sah erschrocken aus. „Du meinst... Lebt sie denn noch?“
„Draußen in
Birkenrode“, nickte Locke. „Sie ist 72. Opa war Lehrer. Er starb vor zwei
Jahren. Als er noch unterrichtete, wohnten sie am Lindenhofplatz. Mein Papi ist
der einzige Nachwuchs. Er heißt Gunter und ist jetzt 44, benimmt sich aber wie
39, weil Helga“, sie wies auf Tom, als erkläre das alles, „wie 35 aussieht.
Höchstens.“
Die
Dreiecke in Eichhorns Teufelsgesicht spitzten sich zu. „Lindenhofplatz...“,
stotterte er. „Und dein Opa war... Stimmt! Stimmt alles! Auch, daß sie jetzt
72...ja, so alt muß sie sein. Ist denn das zu fassen! Vorjahrzehnten habe ich
sie aus den Augen verloren. Absichtlich. Denn die Elisabeth war ja nicht mehr
zu haben. Also nein!“ Er schüttelte den Kopf.
„Ich
glaube“, sagte Locke, „meine Großeltern waren sehr glücklich miteinander. Seit
Opas Tod ist Oma etwas einsam. Wir besuchen sie zwar häufig, und sie kommt
häufig zu uns — aber das ersetzt den Opa nicht. Haben Sie meine Oma persönlich
gekannt?“
„Das ja.
Aber sie hat nicht geahnt, was sie mir bedeutet.“
„Sicherlich
erinnert sich Oma an Sie.“
„Das glaube
ich nicht. Allerdings — wer ein Gesicht hat wie ich, den vergißt man nicht so
schnell.“
„Sie können
sie ja fragen. Rufen Sie an! Über Ihren Besuch würde sie sich bestimmt freuen.
Und wenn sie erfährt, daß Sie ein alter Verehrer sind... Tom, wie findest du
das?“
Tom
grinste. „Stark.“
„Du kennst
sie?“ fragte Eichhorn.
„Na und
ob!“ Tom dehnte die Brust. „Wir sind ein Clan. Daß Oma in ihrer Jugend eine
Schönheit war, sieht man heute noch, finde ich. Außerdem sieht sie süß aus auf
alten Fotos.“
Eichhorns
Gesichtsfarbe war fast so kräftig wie die des Weins.
„Locke, das
Rendezvous (Verabredung) mußt du für mich arrangieren (vorbereiten). Aber jetzt essen wir erstmal.“
Das Mahl
wurde serviert. Es schmeckte vorzüglich.
Sabrina
erzählte, daß Benito Benitone — der Besitzer der FATTORIA — aus demselben Ort
stamme wie ihr Vater.
„Sie kennen
sich von klein auf und sind befreundet. Daß sie zusammen herkamen, hat ihnen
den Anfang erleichtert.“
„Habt ihr
Sehnsucht nach Italien, oder fühlt ihr euch im Herzen als Deutsche?“ fragte
Locke.
„Ich fahre
gern zu meinen Verwandten und bin in den Ferien häufig dort“, antwortete
Sabrina. „Aber ich werde hier bleiben. Ich gewinne immer mehr Freunde. Hier bin
ich zu Hause.“
Gina
bestätigte, sie empfinde genauso.
Beim
Nachtisch passierte Locke ein Mißgeschick. Etwas Erdbeereis kleckste auf ihren
Rock.
Sie lief
sofort zur Toilette, rieb den Fleck aus, benutzte die Gelegenheit, um sich zu
kämmen und blickte dann aus dem Fenster. Draußen lag ein Hinterhof.
Auf den
freien Plätzen der Stadt war es sicherlich noch hell. Aber hier fingen Mauern
und Häuserrückfronten die Dämmerung ein. Blaue Schatten häkelten sich aus den
Ecken hervor. Man erkannte noch die Umrisse, aber nicht mehr die Einzelheiten.
Locke
bemerkte den Mann, der durch die Einfahrt huschte. Er bewegte sich rasch. Seine
Haltung drückte Heimlichkeit aus. Bei der Hintertür blieb er stehen.
Er zog etwas
aus der Tasche und streifte es über den Kopf — wie einen Sack, nein, wie
eine... Maske!
Locke
stockte der Atem.
Der Mann
öffnete die Tür. Der Flur war erleuchtet. Für einen kurzen Augenblick stand der
Mann im Licht.
Seine
Strumpfmaske war rot. Metall schimmerte in seiner Faust. Eine Pistole!
Er
verschwand im Haus.
„Der...
Rote!“ flüsterte sie.
Sie eilte
zurück. Vor der Toilettentür stieß sie mit einer fülligen Dame zusammen. Für
Entschuldigungsworte war keine Zeit. Locke sauste vorbei.
Hinter sich
hörte sie eine unfreundliche Bemerkung über die schlechten Manieren der
heutigen Jugend. Aber das tat ihr nicht weh.
Schon
wollte sie zum Tisch zurück, als ihr einfiel, was daraus entstehen konnte: Tom
würde handeln.
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