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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Nichts würde ihn bremsen. Er würde zu den Wirtschaftsräumen
rennen und den Roten stellen. Aber der war bewaffnet.
    Nein!
dachte sie. Heldenmut, geliebter Tom, ist nicht gefragt. Der Rote könnte dich
erschießen. Wozu haben wir eine Polizei?
    Sie lief
zum Telefon, das im Vorraum war, schob zwei Groschen in den Münzschlitz und
wählte 4 54 56 66.

14. Auftrag für den
Rattenkönig
     
    Vier Fälle
von schwerer Körperverletzung hatten sie ihm nachgewiesen. Vier Fälle von über
30. Dreißig? Es konnten auch 50 sein. Genau entsann er sich nicht. Aber das
spielte ohnehin keine Rolle.
    Seine
letzte Gefängnisstrafe hatte er abgesessen. Selbst dort hatten ihn die anderen
Häftlinge gemieden. Er war isoliert (vereinsamt) gewesen. Na gut! Er war
auch hier isoliert — in dieser verdammten Stadt, durch die er sich schleppte:
bösartig, lauernd und immer sprungbereit wie eine Ratte.
    Wie ein
Rattenkönig! Denn das war sein Spitzname.
    Niemand
mochte ihn. Er wußte das. Brosamen fielen nur für ihn ab, wenn irgendwo eine
Dreckarbeit getan werden mußte.
    Den Tag
hatte Edgar Holsen verschlafen. Jetzt fuhr er im Bett hoch und preßte sofort
eine Hand an den Mund, um nicht zu schreien. Seine Zähne gruben sich in den
Handballen. Während ihm Schweiß in die Augen rann, ließ die Wirkung des Traums
etwas nach.
    Immer
derselbe Traum. In letzter Zeit träumte er immer denselben. Er träumte, er
hänge am Galgen.
    Blaue
Dämmerung tropfte durchs Fenster herein. Die Scheibe war heil, aber es gab
keine Vorhänge. Seine Bude, ein feuchtes Loch, lag im Keller eines Wohnblocks
an einer lauten Straße. Um neugierige Blicke femzuhalten, hatte er die Scheibe
mit Zeitungspapier beklebt. Was draußen vorging, interessierte ihn sowieso
nicht.
    Er stand
auf und machte Licht. Er fröstelte. Was er auf dem Leib trug, war
durchschwitzt.
    Zu der Kellerwohnung
gehörten zwei Zimmer und ein schäbiges Bad mit schwindsüchtigen Kakerlaken. Im
Bad stand der Elektrokocher. Holsen machte sich Pulverkaffee.
    Seine Hände
waren jetzt ruhig genug, um sich naß zu rasieren. Daß er sich von den Pennern
unterschied, darauf legte er Wert. Soweit würde es — trotz allem — nie mit ihm
kommen.
    Er war 38
Jahre alt, groß und fleischig. Er hatte weiße, weichliche Hände.
Sonnenbestrahlung erzeugte auf seiner Alabasterhaut Sommersprossen, allenfalls
Röte. Selbst jetzt, im Sommer, war er bleicher als Ziegenkäse, und das rote
Haar sah aus wie gefärbt. Er hatte eine schwere Unterlippe, die immer etwas
zernagt war, eine gebrochene Flachnase, durch die er schlecht atmen konnte, und
Augen wie Schlitze. Das rote Haar wuchs ihm tief in die Stirn.
    Es war ein
Gesicht, an das man sich nicht gern erinnert.
    Er setzte
sich an den Tisch, schlürfte eine zweite Tasse Kaffee und dachte an nichts.
    In dem Gang
vor der Wohnungstür näherten sich Schritte.
    Er horchte.
Unwillkürlich zog er die Schultern hoch. Er erwartete niemanden. Und wer
unverhofft kam, brachte meistens nichts Gutes.
    Eine Faust
pochte an die Tür.
    Holsen
setzte die Tasse ab. Mit einem Blick überzeugte er sich: Der Schlüssel steckte
innen. War abgeschlossen? Bestimmt. Am besten also, er rührte sich nicht.
    „Holsen“,
sagte eine heisere Männerstimme. „Ich weiß, daß du da bist. Mach auf! Ich komme
von Cordone.“
    Das war
natürlich was anderes. Er öffnete.
    Draußen
stand ein eckiger Typ mit einem Gesicht wie ein abgenagter Knochen. Sein
cremefarbener Sommeranzug hatte nur wenige Knautschfalten in der Ellbogenbeuge.

    „Ah,
Signore Palena!“ meinte Holsen. „Sie sind heiser. Habe Ihre Stimme nicht gleich
erkannt.“
    „Blödsinn!
Meine Stimme ist immer so.“ Mit unverhohlenem Widerwillen sah er den
Rattenkönig an. „Bist du allein?“
    Holsen
nickte. Palena kam herein, blickte angeekelt umher, trat zu einem der Stühle,
als wollte er sich setzen, verzichtete aber.
    Holsen
hatte die Tür geschlossen. Auf seinem Gesicht stand Erwartung.
    „Es ist ein
Auftrag“, sagte Palena, „eine delikate Angelegenheit, für die du Spezialist
bist. Es wird dir Spaß machen. Außerdem zahlt dir der Chef 2000 Mark. Die
Hälfte sofort, die andere nach — häh! — getaner Arbeit.“
    „Kommt mir
wie gerufen. Wo ich gerade so knapp bei Kasse bin.“
    „Du sollst
dir eine Frau vornehmen. Und zwar so, daß sie es nie mehr vergißt. Es ist eine
Bestrafung. Klar?“
    „Verstehe.“
    „Sie heißt
Helga Conradi“, fuhr Palena fort, „ist Tierärztin und bestimmt eins der
hübschesten Weiber, das

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