Überfall nach Ladenschluß
daß Aianos Tochter getratscht hat.
Aber der Alte — da wette ich meinen Kopf — schweigt. Kein Wort würde die
Polizei aus ihm rauskriegen. Er weiß — wie jeder Schutzgeldzahler — , was es
für ihn bedeuten würde, wenn er uns beschuldigt. Das heißt, wir haben es nur
mit diesen Jugendlichen zu tun.“
„Was
schlägst du vor?“ fragte Leonessa.
„Wir machen
dem Bengel klar, worauf er sich eingelassen hat.“
„Eine
Abreibung?“
„So billig
kommt er nicht weg. Ihm tun wir nichts. Aber es wird seine Mutter treffen. Und
er wird wissen, daß er daran schuld ist. Es paßt gut. Dr. Helga Conradi fährt
am kommenden Samstag zu ihrem Landhaus am Froschhauser See. Allein. Ihre
Mischpoke (Sippschaft) kommt erst am Sonntag nach. Sie verbringt dort
also eine einsame Nacht. Und die wird sie zeitlebens nicht vergessen. Ich
schicke ihr den Rattenkönig.“
„Oh!“ machte
Carezzo.
Palena
verzog das Gesicht.
„Arme
Frau!“ meinte Leonessa und grinste.
Ziemlich
harte Strafe! dachte Renato.
„Diese
Woche treten wir kurz!“ verfügte Cordone. „Giuseppe, du kassierst heute abend
noch Benitones Fattoria ab. Dann halten wir still. Bis Freitagnacht. Die Sache steigt. Enrico, Vittorio — ihr wißt Bescheid.“
Auch
Carezzo wußte Bescheid. Aber er verriet das mit keinem Wimpernzucken.
„Und der
Rote“, meldete sich Renato schüchtern. Er dachte unentwegt an die Prämie. „Seine
Adresse habe ich aufgeschrieben.“ Er legte den Zettel auf den Schreibtisch.
„Das ist
dein Job, Vittorio.“ Cordone schob ihm den Zettel hin.
Leonessa
warf einen Blick darauf und steckte ihn ein.
„Heute
nacht“, fuhr Cordone fort, „kannst du ihn dir vornehmen. Es ist nicht nötig,
daß du ihn umbringst. Aber er soll einige Wochen auf der Intensiv-Station im
Krankenhaus verbringen. Sicherlich reicht das, bei einem alten Kerl wie ihm.
Mach ihm klar, daß er nicht überlebt, wenn er uns noch einmal in die Quere
kommt.“
Zum
Totlachen! dachte Leonessa. Mir gibt er den Auftrag. Ich soll den Roten
fertigmachen. Na schön! Cordone, du Dummkopf! Du bist kein Chef. Du
durchschaust nichts. Du mußt weg. Ich gehöre an deinen Platz. Wie du dich
geirrt hast, wirst du merken, wenn der Alte im Krankenhaus liegt und der Rote
weitermacht. Bis man dich absetzt. Schon heute abend geht’s weiter. Bei Benitone in der
Fattoria hole ich mir das Schutzgeld ab, bevor der dicke Carezzo dort
aufkreuzt.
Mit ruhigem
Gesicht sagte er: „Alles klar, Chef. Kannst dich auf mich verlassen.“
*
Ein milder
Sommerabend breitete sich über die Stadt. Locke hatte nachmittags für die
Schule gearbeitet. Jetzt zog sie sich um. Sie wählte eine gelbe Bluse und einen
moosgrünen Rock. Nachdem sie ihr Haar gebürstet hatte, setzte sie einen ihrer
Strohhüte auf.
Gunter und
Mike saßen auf der Terrasse, aßen belegte Brote und tranken Bier.
„Na, dann
viel Spaß“, meinte Gunter. „Aber daß es nicht so spät wird!“
„Bin ja in
bester Gesellschaft“, lachte sie.
„Siehst so
schnieke aus“, sagte Mike, der noch nicht wußte, worum es ging. „Führt dich Tom
aus?“
„Wir sind
eingeladen. Dr. Eichhorn ist der Gastgeber. Wir essen in der Fattoria, wo es
die beste Polenta gibt. Sabrina und Gina sind auch dabei.“
Es
klingelte. Tom holte seine Freundin ab.
„Hast du
einen neuen Hut?“ fragte er.
„Wieso?“
Sie schob ihren Roller aus der Garage.
„Du hattest
noch nie einen mit gestreiftem Band.“
„Ach so.
Ja, das Band ist neu, das Stroh nicht. Hast du ein sauberes Hemd an?“
„Sieht man
das nicht?“
„Optisch (die
Augen betreffend) ist es ein Grenzfall.“
Sie
rollerten zur Fattoria, fanden aber die Adresse nicht gleich und kamen drei
Minuten zu spät.
Dr.
Eichmann und die beiden Mädchen saßen schon am Tisch.
Lächelnd
versicherte der pensionierte Studienrat, daß er sich freue, im Kreise der
Jugend zu speisen. Sie bestellten.
Die
FATTORIA war ein gepflegtes Restaurant. Die Gemälde an den Wänden zeigten
italienische Landschaften. Aus versteckten Lautsprechern rieselte Musik.
„Dein
Familienname, Locke“, sagte Eichhorn, „geht mir nicht aus dem Kopf. Rehm —
kompliziert ist er nicht, trotzdem selten. Und in meiner Jugend...“
Er sprach
nicht weiter, sondern lächelte versonnen, als hänge er einer alten Erinnerung
nach.
Locke ließ
ihm drei Sekunden Zeit, ehe sie fragte: „Ja? Was war da?“
„Es liegt
schon so lange zurück. Ein halbes Jahrhundert. Damals habe ich eine junge Frau
verehrt. Bis über
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