Überfall nach Ladenschluß
wenn
ich’s mir vergegenwärtige, kann ich die Stimme einordnen. Der Bursche wird Tom
genannt, heißt Tom Conradi.“
Die drei
schwiegen respektvoll.
Cordone
spazierte auf und ab. Die Daumen hakte er in seinen Schlangenledergürtel. Das
Gehirn des Chefs arbeitete. Alle merkten es.
Am Eingang
wurde geläutet.
Leonessa
ließ Carezzo ein, den Kassierer. Auf dessen Feistgesicht wackelte ein
unsicheres Grinsen.
„Du kannst
aufatmen“, sagte Leonessa. „Wie sich herausstellte, gibt es zwei Rote. Der eine
hat dem echten nachgeahmt und wurde gestern erwischt. Und jetzt spielt uns das
Schicksal den andern in die Hände. Brauchst also deine detektivischen
Fähigkeiten nicht mehr zu beweisen. Vielleicht weist dir der Chef eine andere
Aufgabe zu — als Chance, dein Leben zu retten.“
Carezzo
zuckte zusammen. Aber Cordones Stimmung hatte sich inzwischen gewandelt. Er war
begeistert von sich selbst und begrüßte Carezzo mit breitem Grinsen.
„Den
Mächtigen ist es gestattet, Gnade zu üben. Dir, Giuseppe Carezzo, verzeihe ich.
Du wirst schweren Einsatz leisten, um deine Schuld abzutragen. Aber ich schenke
dir das Leben, obwohl du soviel Güte nicht verdienst.“
Beinahe
wäre der Kassierer abermals auf die Knie gesunken. „Danke, Chef...“, stammelte
er. „Danke! Mit meiner Treue werde ich’s dir danken.“
Was nichts
daran ändert, daß ich’s mir vielleicht anders überlege, dachte Cordone. Dann
wird der Tod so plötzlich vor dir stehen, daß du nicht mal erschrecken kannst.
Aber jetzt brauche ich Ruhe in den eigenen Reihen. Zu viel wartet auf uns.
Himmel!
dachte Carezzo. Er verzeiht mir. Und ich habe ihn verraten. Die Polizei wird
ihm auf die Spur kommen, wenn Freitagnacht die Mietskaserne brennt. Was daraus
wird, ist nicht abzusehen. Aber... jetzt kann ich nichts mehr ändern.
Cordone
hatte sich wieder hinter den Schreibtisch gesetzt.
„Jeder von
euch muß verstehen, was läuft. Also: Ich erhielt diesen Anruf des Unbekannten,
des angeblichen Sprechers der Bürger-Initiative Saubere Stadt...“ Er berichtete
knapp. „Und jetzt erkläre ich euch, wieso ich darauf komme, daß dieser Bursche
dahinter steckt. Gestern habe ich seiner Mutter, einer Frau Dr. Conradi, ein
Landhaus vermittelt. Bevor ich mich verabschiedete, hinterließ ich meine
private Telefonnummer. Unter der wurde ich angerufen. Wohlgemerkt unter der!
Nicht unter meiner Geschäftsnummer.“
Er blickte
in die Runde.
Keiner
hatte verstanden.
„Meine
Privatnummer“, erklärte er, „steht nicht im Telefonbuch. Erst am Freitag
erhielt ich den Anschluß. Er gehörte bisher einem gewissen Bielschofski.
Niemand kennt die Nummer. Nicht mal ihr. Niemandem habe ich sie bisher gegeben,
weil noch keine Veranlassung bestand. Mit Ausnahme, wie gesagt, gestern bei
Frau Dr. Conradi. Der Junge hat die Nummer benutzt. Er und das Mädchen. Sie
wird Locke genannt. Und jetzt begreife ich auch, weshalb mich beide so
entgeistert anstarrten, als ich kam. Die beiden wissen was. Irgendwie sind sie
uns auf die Spur gekommen.“
Carezzos
Kopf ruckte vor. „Er ein Blonder, kräftig, etwa 16. Und sie eine grazile Schöne
mit langem braunen Haar und sooolchen Augen?“ Er zeigte Augen wie Untertassen.
Cordone
nickte.
„Die kenne
ich“, Carezzo genoß es, daß er zur Klärung beitragen konnte. „Die haben mich
gefunden, nachdem man mich in der Taifun-Bar...“
„Taifun-Bar!“
unterbrach ihn Cordone. „Jetzt weiß ich, wieso mir die beiden bekannt
erschienen! Erinnert ihr euch, Enrico, Vittorio? Als wir Samstagabend
rausgingen, stand ein junges Pärchen am Eingang.“
„Stimmt“,
sagte Leonessa.
„Entsinne
mich dunkel“, meinte Palena.
„Aber das
ist noch nicht alles“, sagte Carezzo rasch. „Vorher bin ich den beiden schon im
Trastevere begegnet. Einen gefährlichen Köter hatten sie bei sich.“
„Trastevere?“
Cordones Augen wurden schmal. „Dann haben sie dich dort beobachtet, Giuseppe.
Hat sie das auf unsere Spur gebracht?“
Carezzos
Knie wurden weich. „Chef, ich... habe mich ganz unauffällig verhalten. Wie
immer. Wirklich! Eher wäre es möglich, daß Aiano oder dessen Tochter — daß die
was... Richtig! Ich erinnere mich. Das Pärchen saß mit Aianos Tochter am
Tisch.“
Für einen
Moment herrschte Stille.
Dann sagte
Palena: „Sehe ich das richtig: Jugendliche haben uns den Krieg erklärt.“
Cordones
Grinsen fror ein. „Das haben sie. Aber sie haben keine Tatsachen in der Hand,
um die Polizei einzuschalten. Schon möglich,
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