Ueberflieger
gearbeitet. Die anderen Studenten waren ein Haufen langhaariger Stadtkinder, vor allem aus New York. Diese Kids hatten einen ganz anderen Stil, den ich nicht kannte. In den Kursen habe ich kein Wort dazwischenbekommen. Die wollten alles wissen und haben die ganze Zeit Fragen gestellt. Ich war in einem Wohnheimzimmer untergebracht. Wir waren zu viert, aber die anderen drei hatten einen vollkommen anderen Lebensstil als ich. Sie haben Haschisch geraucht und ihre Freundinnen aufs Zimmer mitgebracht. Ich hatte noch nie im Leben Haschisch geraucht. Also habe ich mich die meiste Zeit in die Bibliothek verkrochen.«
Er fährt fort: »Dann habe ich mein Stipendium verloren … Für den Wiederholungsantrag sollte meine Mutter ein Formular zu ihrer Vermögenssituation ausfüllen. Das hat sie nicht gemacht. |85| Vielleicht hat sie das Formular einfach nicht verstanden, ich habe keine Ahnung. Irgendwann habe ich dann nur festgestellt, dass mein Stipendium ausgelaufen war. Ich bin ins Büro gegangen und habe nachgefragt was los ist, und die haben mir mitgeteilt, sie hätten das Formular zur Vermögenssituation nicht bekommen, und jetzt hätten sie alle ihre Stipendien vergeben und kein Geld mehr übrig. Es täte ihnen leid, aber ich würde kein Stipendium mehr bekommen. Das war der Stil in dem Laden. Es war ihnen einfach egal. Es gab keine Beratung, keine Betreuung, nichts.«
Noch vor den Abschlussprüfungen des zweiten Semesters ging Chris von Reed College ab. Auf seinem Abschlusszeugnis stand hinter jedem Kurs »durchgefallen«. Im ersten Semester hatte er durchweg sehr gute Noten erhalten. Er ging zurück nach Bozeman und arbeitete anderthalb Jahre auf dem Bau und als Brandschützer im Wald. Dann schrieb er sich an der Montana State University ein.
»Ich habe Mathematik und Philosophie belegt«, erinnert er sich. »Ich habe 20 Kilometer außerhalb gewohnt, an der Beach Hill Road, und bin mit dem Auto reingefahren. Und dann ist mir irgendwann mitten im Winter das Getriebe kaputtgegangen. Meine Brüder hatten den Wagen benutzt, als ich im Sommer nicht da war. Sie hatten für die Eisenbahn gearbeitet und waren auf den Gleisen gefahren. Ich hatte nicht das Geld, um das Auto zu reparieren. Also bin ich zuerst zu meinem Betreuer gegangen und dann zum Dekan und habe ihnen mein Problem geschildert. Das Getriebe meines Autos ist kaputt, und ich habe einen Kurs morgens um halb acht. Können Sie mich nicht in den Nachmittagskurs wechseln lassen, ich wäre Ihnen sehr dankbar, weil ich ansonsten nicht an die Uni kommen kann. Ein Nachbar, ein Bauer, hätte mich um elf Uhr mit in die Stadt genommen. Mein Betreuer war ein Cowboy-Typ mit Schnauzbart und Tweedjacke. Er hat zu mir gesagt, schau her, mein Sohn, ich habe mir dein Zeugnis von Reed angeschaut, und wie ich sehe, musst du noch lernen, dass man für Bildung Opfer bringen muss. Anfrage abgelehnt. Also bin ich zum Dekan. Dasselbe Spiel.«
|86| Er klingt angespannt. Der Vorfall liegt 30 Jahre zurück, doch bei der Erinnerung daran kommt ihm nach wie vor der Ärger hoch. »Irgendwann habe ich mir gedacht, ich mache mich hier krumm, um das Geld für die Universität aufzutreiben, und es ist mitten im Winter in Montana. Ich bin bereit, jeden Tag in die Stadt zu trampen und alles zu tun, um wieder zur Universität zu gehen, aber die wollen nichts für mich tun. Das ist doch verrückt. In dem Moment bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es auch ohne Universität geht. Und auch wenn es nicht ohne geht – es war mir derart zuwider, dass ich nicht mehr wollte. Also bin ich von der Universität runter, ganz einfach.«
Chris Langans Erfahrung am Reed College und an der Montana State University waren ein Wendepunkt in seinem Leben. Als Kind hatte er immer davon geträumt zu studieren. Er hätte einen Doktortitel erwerben sollen – schließlich sind Universitäten genau auf Menschen mit seiner intellektuellen Neigung und Neugierde zugeschnitten. »Ich habe immer gedacht, sobald er an die Universität kommt, geht es ihm gut«, sagt sein Bruder Mark. »Ich habe gedacht, er würde seine Nische finden. Es hat einfach nicht gepasst, dass er von der Universität runter ist.«
Ohne Abschluss wusste Langan nicht weiter. Er arbeitete auf dem Bau. Einen eisigen Winter lang verdingte er sich auf einem Muschelfischer vor Long Island. Er jobbte in Fabriken und nahm Gelegenheitsarbeiten in der Stadt an. Schließlich wurde er Rausschmeißer in einer Bar auf Long Island, und das war lange Zeit seine
Weitere Kostenlose Bücher