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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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verfolgt und enthauptet wurden, mit Christus gemeinsam tausend Jahre. So steht es geschrieben.«
    Johann atmete befreit. Wenn er seinen Weg aus diesem Gefängnis gefunden hatte, war er mächtiger als Mauern und Kerkermeister. Vor dem Thron, überspannt von einem Regenbogen, entblößte er den Oberkörper, streifte die Hosen ab und schloss die Augen.
    Sieben goldene Leuchter flammten auf. »O Herr. Ich bin dein sündigster Knecht«, flüsterte Johann, horchte auf eine Antwort. »Ich warte!«, drohte er. »Meine Geduld ist bald zu Ende. Nur zehn Tage Trübsal, hast du geweissagt. Wann hebst du mich auf?«
    Haltlos stürzten Tränen aus seinen Augen, nässten den verwilderten Bart, alle Texte, die er aus der Offenbarung noch wusste, versickerten in dem Gestrüpp seiner Wangen. Er war allein, wimmerte: »Und ob ich auch wandere durch das finstere Tal…«, entsetzt brach er ab. Nein, keine Dunkelheit! Ich bleibe im Licht, will die Lider geschlossen halten.
    Der Himmel dröhnte. »Mein Herr Christ!« Ergeben bog Johann den Kopf zurück und musste die Augen öffnen. Über ihm hatte sich das Firmament aufgetan. Eine Stimme rief. Johann begriff nichts.
    »Schluss mit dem Gestammel!«
    Allmählich kehrte er zurück, nahm die Umrisse des Kopfes wahr. »Ich bin dein Diener.«
    »Hör jetzt auf zu predigen, du verrückter Priester. Gleich kommt Besuch. Besuch! Hast du verstanden?«
    Ein Lidschlag. Johann stand im Petersloch, starrte zu dem Kerkerknecht hinauf. »Was sagst du?« Seine Stimme war wach, und er fror.
    Der Wächter schwenkte das Licht über dem Schacht. »Verdammt, du bist schon wieder nackt. Zieh dich an! Gleich sind sie da.«
    Sofort gehorchte Johann, streifte das Hemd über, band die Hose. Besuch? Vielleicht Fabritius? Er bringt Nachricht von Adolph, sicher gute Nachricht. Zweimal schon hatte der Hebräer von der Öffnung herab zu ihm gesprochen, ihm Hoffnung gemacht.
    Viel muss er heute dem Kerkerknecht zugesteckt haben, dass ich ihn sogar oben sprechen, ihn wirklich sehen darf! Dieser Peter hat großen Durst und lässt sich im Voraus bezahlen. Oft hatte Johann seinen Liedern zugehört, bis tiefes Schnarchen sie beendete.
    Von Fabritius wusste er, dass es Adolph, trotz Gefangenschaft, gut ging, vor allem, dass sie den Freund nicht folterten. Ja, der große Prozess! »Wenn Adolph gewinnt, gibt es auch für dich Gnade, mein Bruder.« Fabritius war ganz siegesgewiss. Er hatte so gute Verbindungen.
    Die grellen Bilder der Dunkelheit hatte Johann wieder tief verborgen. Noch ehe der Korb den Boden des Kerkers erreicht hatte, umklammerte er den Rand, versuchte hineinzuklettern.
    »Warte!«, schrie Peter und ruckte an dem Seil.
    Endlich kauerte Johann in seinem Himmelsschiff. Ich fahre auf! Sein Herz lachte.
    Wie ein Palast erschien ihm das obere Gewölbe. Der Tisch, der Hocker, die helle Lampe, hier wohnen Menschen, welch eine Pracht!
    Roh kippte der Knecht die abgezehrte Gestalt aus dem Korb. »Deck das Loch zu.«
    Bis zum Hals schlug die Hoffnung. »Muss ich, sag doch, ich muss nicht wieder hinunter?«
    »Nicht fragen!« Heftig rieb der Wärter die gedunsene Nase und wartete, bis die Bretter über der Öffnung lagen. »Ich hab’s dir gesagt.« Er hielt Johann die Faust unter das Kinn. »Kein Wort über mich, sonst. Ich sag dir, ich lass dich verrecken.« Immer wieder blickte er zur Eisenpforte.
    Warum fürchtet er sich? Vor Fabritius?
    Schwere Schritte auf dem Gang. Der Knecht packte die Kehle, flüsterte: »Die Herren wollen was von dir. Kein Wort!«
    »Mach auf!«
    Der Klang durchzuckte Johann. Selbst Peter riss den Kopf herum, war erstarrt.
    »Mach auf, sag ich.«
    In zwei Sätzen hetzte der rundliche Mann zur Pforte, der Schlüssel, und geräuschlos schwang die Eisentür auf. Peter wich zurück.
    Die Gestalt füllte den Eingang, mit der Schulter voran schob sich der Henker herein. Aus dem wulstigen Mund schoss ein Strahl bis in die Mitte des Raums, neben dem Speichelfleck setzte er seinen Ledersack ab. »Raus!« Den Zeigefinger hakte er in das zerschlissene Hemd des Wächters, zog den untersetzten Mann näher, ein leichter Stoß, und Peter stolperte die Stufen hinauf.
    »Die Geschickten vom Gericht warten an der Treppe. Ich ruf, wenn ich fertig bin.«
    »Ist gut!« Erleichtert floh der Kerkerknecht durch den Gang davon.
    »Versoffener Zwerg!«, brummte ihm der Scharfrichter nach.
    Langsam wandte er den mächtigen Kopf, feuchtete mit der Zunge die Oberlippe, betrachtete den Gefangenen.
    In der Leere gab es keine

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