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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Sie bevorzugen Bindestrich-Getränke wie Wodka-Red-Bull oder Cola-Jim-Beam.
    »Skol!«, ruft der Biermeister und lässt gelben Gerstensaft durch seine Schläuche schießen. Die anderen heben Flaschen und Dosen. Auf einem Stromkasten stehen ein, zwei Dutzend leere Bierflaschen einer anderen Komasäufer-Einheit, die vor ihnen diesen Ort passiert hat. Ole erkennt die Spuren von Kollegen sofort. Felix hat eine Party-Tröte der Marke Kleiner Feigling mitgebracht und pustet damit einen Alarm durch die Straßen: Achtung, hier kommt sie, die verdorbene Jugend. Und sie hat heute Nacht viel vor.
    Merke ➙ Das Komasaufen findet grundsätzlich draußen statt. Einkehren in Kneipen ist strengstens verboten. Nachschub kommt von der Tankstelle oder vom Kiosk.
    Es ist längst dunkel. Das Licht von hundert Fenstern fächert durch die Stadtbäume. Bodo steht im Eingang zu einem Hof und wässert die Mülltonnen. »Oben rein, unten raus!«, palavert er und steckt beim Pinkeln das Saufventil in den Mund, um aus dem Obergeschoss neu anzusaugen. »Guck!«, bölkt er und kleckert, da er beim Sprechen das Mundstück loslassen muss, »durch den Plastikschlauch rein und durch den Fleischschlauch wieder raus – in Echtzeit!«
    Als er fertig ist und – sich den Hosenstall zuziehend – aus dem Hofeingang wankt, sagt er: »Pegelstandsmessung!«
    Ole hält ihm das Röhrchen vor den Mund, beobachtet dabei aber die Mädchen. Ellens schmale Schultern stecken in einer Adidasjacke mit goldenen Streifen. Ein paar Haarklammern halten ihre blonden Haare zusammen. Bei Anja schaut eine nackte Schulter durch die Lücke zwischen Halstuch und Strickpulli. Der Pulli hat große Maschen. Über die Schulter wandert das schwarze Riemchen eines BHs.
    Biermeister Bob hat fertig geblasen, und Ole notiert: »1, 2.«
    »Jawollo!«, jubelt Bodo und hebt die Arme.
    Ein paar zivilisierte Kneipengänger schauen herüber. Bodo starrt sie an, öffnet den Mund und entlässt, den Blick nicht von den Bürgern lassend, seinen Schlachtruf wie ein Feldbarbar: »Nachladen, Knappe!!!«
    Felix lädt nach. Ole hat bislang ein Drittel seiner Flasche getrunken und tritt in den Zustand ein, in dem das Hirn im Schädel zu schweben beginnt, als würde es von den Innenwänden magnetisch abgestoßen. Gleichzeitig sieht er alles klarer. Klar wie des Wodkas reine Seele. Die Adern in einem Blatt. Die Adern in Anjas Augen. Den Schwung ihrer dunkelbraunen Haare, die sie zu einem lockeren Ball zusammenbindet, wie einen Dutt, nur ohne Strenge. Oles Blick folgt jedem einzelnen Haar, das dem Gummiband entkommt. Nach einer Drittelflasche weiß er, was er will. Er will diese Haare öffnen. Die Nase hineinstecken. Anjas Schuppen atmen.
    »Ich hab Bock auf Saufen, welche Drogen nehmt ihr?«, krakeelt der Biermeister zur falsch nachgesungenen Melodie von Deichkind. Dann sinkt er wie ein Stein auf einem großen Blumenkübel zusammen.
    »Iss mal die halbe Wurst auf«, sagt Felix zu Ole und zeigt an sein Brillengestell. »Die klemmt da jetzt seit zwei Stunden. Ist ja ekelhaft.«
    Ole tastet nach der Wurst, zieht sie von der Gabel und steckt sie in den Mund.
    »Wieso? Ist doch prima.«
    »Wie spät ist es?«, fragt Felix. Ellen antwortet ihm. Er reißt die Augen auf. »Dann müssen wir uns ranhalten!«, sagt er, steckt sich eine Süßschnapspulle zwischen die Schneidezähne und legt den Kopf in den Nacken.
    Merke ➙ Beim Komasaufen wird keine Endzeit vereinbart. Sonst hieße es nicht Komasaufen, sondern beispielsweise »Bis-zwei-Uhr-Saufen«. Da es aber Komasaufen heißt, ist klar, welcher Zustand das Ende markiert.
    »Wo ist der Muskelmann? Wo ist der Muskelmann?«
    Astrein, denkt Ole. Der kleine Feigling fängt endlich an, zu halluzinieren. Jetzt wird alles gut.
    Biermeister Bob, dieser Riese, hebelt einen gelben Mülleimer aus den Angeln und schüttelt ihn, als würden mit etwas Glück Goldmünzen herausfallen. Da keine auftauchen, setzt er sich auf den Boden und nickt, den Mülleimer wie ein Baby im Arm, augenblicklich wieder ein. Überschreitet er die Zwei-Promille-Grenze, wird Bodo zum binären Wesen. Dann gibt es nur noch AN oder AUS und gar nichts mehr dazwischen.
    Ellen und Anja lachen.
    Ole sieht immer noch klar, aber der Bürgersteig ist für ihn zum fahrenden Zug geworden. Eine ruckelige S-Bahn unter seinen Füßen, die er beständig ausbalancieren muss.
    »Der Muskelmann? Wo ist der Muskelmann?«
    »Was für ’n Muskelmann?«, fragt Ole und lacht. Er liebt es, wenn sie so sind. Eine

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