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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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passiert
    Der Haarmoment wiederholt sich Samstag für Samstag wie der Drehtag des Wetteransagers in Und täglich grüßt das Murmeltier , und es geht niemals darüber hinaus, weil die Angebetete jedes Mal alles wieder vergisst.
    Was man tun sollte
    Sich bei einem Pegelstand von maximal einem Promille mit der Frau von der Gruppe abseilen und ein innerstädtisches Gewässer aufsuchen, an dessen Rande man so lange und hartnäckig entlangschlendert, bis sie spürt, dass Begehren schöner ist als Bröckchen in der Keramik.
    Typischer Song
    »Prost« von Deichkind
    Typisches Getränk
    Wodka

Das Chillen & Grillen
    Das Chillen & Grillen ist das Fest des Nichtstuns. Eine Feier der Langsamkeit und des Loslassens. Eine Begegnung von Jugend und Weisheit. Ungünstig ist nur, dass so viel Ruhe äußerst provokant sein kann …
    »Überleg dir gut, ob du das machst. Vielleicht kommst du nie mehr zurück.«
    Der Kollege beugt sich über Franks Schreibtisch und bläht die Nasenflügel auf. Er tut fast so, als wolle sich Frank in eine Terrorzelle einschleichen. Dabei ist Frank Lifestyle-Redakteur und hat lediglich vor, eine Zusammenkunft zu besuchen, die sich in der warmen Jahreszeit still und leise zur beliebtesten Party-Form der jungen Generation entwickelt hat: das Chillen & Grillen.
    »Das ist nicht wie bei uns, wenn wir am Rost stehen, Frank«, sagt der Kollege. »Das ist …« – er schaut glasig aus dem Fenster, als erhebe sich am Horizont eine Flutwelle, die nur er sehen kann – »… anders als alles bisher.«
    Was für ein Theater, denkt Frank. Es sind junge Leute, die grillen. Und chillen.
    Fertig, aus. Auf der aufgeräumten, schwarzen Schreibtischplatte vor ihm liegt die Kamera neben der Tastatur. Die Fotos wird er, wie immer, selber machen. So, wie er hier alles alleine regelt. Der Kollege dreht sich um und räumt mit der Hüfte Franks Heftordner von der rechten Ecke des Schreibtischs ab. Der Heftordner ist aus Korb geflochten und enthält griffbereit die gesamte Konkurrenzpresse des aktuellen Monats. Frank hat die vollständige Übersicht über das Geschehen. Als Einziger in diesem Saftladen. Die Magazine rutschen über den Boden. Frank springt auf und flucht unverhältnismäßig. Die Flut der Kraftausdrücke, die aus seinem Mund strömen, kann er erst stoppen, als alles wieder so steht wie vorher. Der Kollege zeigt ihm einen Vogel. Wahrscheinlich hat er recht, denkt Frank. Wahrscheinlich bin ich neurotisch. Aber andererseits: Sitzt er noch hier, jede Nacht bis zwei, um Reportagen zu drechseln? Bleibt er rund um die Uhr wach? Hat er alles im Griff?
    Merke ➙ Unter Medienschaffenden mittleren Alters gilt Schlaflosigkeit als Statussymbol. Frei nach dem Motto: Wer länger als drei Stunden pennt, gehört nicht zum Establishment.
    Frank nähert sich dem See, an dem sich die jungen Menschen versammeln. Er ist zu Fuß. Den Wagen musste er einen Kilometer weiter vorne auf einem Kiesparkplatz abstellen. Jetzt raschelt Gras unter seinen Füßen, als die Chiller & Griller in den Blick kommen. Sie liegen auf Decken und stehen am Ufer wie Menschen in einem Bild von van Gogh. Aus der Art, wie die kleinen Bierflaschen und Tellerchen auf der Wiese und den Decken verteilt stehen, hätte Manet ein Stillleben gemacht. Die Wölkchen über dem Grill wirken wie hingetupft. Entspannte Musik tröpfelt aus unbekannter Quelle. Frank sieht keinen Rekorder, keinen Gettoblaster, nicht mal eine winzige iPod-Station. Es wirkt, als kämen die Klänge aus jedem Grashalm und jedem Steinchen am Ufer. Die Interpreten sind ebenfalls nicht zu erkennen. Ein bisschen Gitarre, ein bisschen Elektronik.
    »Hallo, ich bin der Redakteur, wir haben telefoniert, oder?«, fragt Frank den jungen Mann, der am Grill steht. Dieser nickt und dreht ein Würstchen um. In aller Ruhe. Der Ausdruck in seinen blauen Augen ist wie eine Windstille vor Sansibar. Erst als die Wurst richtig liegt, gibt er Frank die Hand, weder so lasch wie ein Waschlappen noch so fest wie eine Schraubzwinge.
    »Steffen.«
    »Frank.«
    Das Fleisch auf Steffens Rost ist perfekt auf den Punkt. Goldbraun glänzend. Sogar die Maiskolben und Paprikahälften, die er daneben zärtlich umherschiebt, leuchten gelb wie ein Junimorgen.
    »Wo hast du die verbrannten Teile?«, fragt Frank.
    Steffen lächelt, leicht verwirrt, und runzelt seine glatte Stirn, auf der sich kurze Locken kräuseln.
    Frank hockt sich hin und schaut, ob eine Mülltüte unter dem Grill liegt. Oder in der Nähe. Spürhundgleich

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