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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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unberechenbare Horde Bekloppter. Überschreitet Felix die Zwei-Promille-Grenze, wird er zum Kläffer. Dann läuft er den Postboten hinterher und winselt, wenn sie anhalten.
    »Der Muskelmann«, erklärt Felix mit jener empörten Ernsthaftigkeit, die nur Sturzbesoffenen zu eigen ist. »Er hat mich eben nach dem Weg gefragt, obwohl der ganz genau wusste, wo es langgeht. Das habe ich gespürt. Ganz genau wusste der das. Der wollte mich absichtlich provozieren.«
    »Aber sicher doch …«, sagt Ellen und tätschelt dem Kläffer den Kopf. Ihre Augen sind gerötet. Anna kippt sich die nächste Dose Whiskey-Cola in den Hals. Ole fixiert ihre Lippen, die lipglossglänzend auf dem schwarzen Weißblech liegen.
    Ein PärZu spaziert an der Gruppe vorbei. Er: Teure Jeans und Jack-Wolfskin-Jacke, wahrscheinlich IT-Berater. Sie: beiges Jäckchen über schwarzer Bluse und eine Hornbrille mit schmalen, rechteckigen Gläsern, wahrscheinlich Designerin.
    Was sagt die Wissenschaft? ➙ Als PärZu bezeichnen hoffnungslose Komasäufer ein sogenanntes »Pärchen mit Zukunft«, erklärt Professor Stephan Schlicke vom Institut für soziale Sippenhaft (IfsS) in Sackenheimerhofe. »Die von den Komasäufern argwöhnisch beäugten Pärchen mit Zukunft gehören zu der letzten Generation, die noch in die Tür zum Arbeitsmarkt schlüpfen konnte. Früher hätten die jugendlichen Trinker die PärZus einfach nur ›Besserverdiener‹ genannt. Heute muss man angesichts der Lage der Komakandidaten eher von ›Überhaupt-was-Verdienern‹ sprechen.«
    Da schlendern sie, und hier stehen wir, denkt Ole nicht ohne Stolz, wir, die Schande des Viertels. Verbringen unsere Zeit auf Blumenkübeln, mit Hartalk in der Hand. Wir üben schon mal, für später.
    Bodo springt im Bruchteil einer Sekunde aus seinem Tiefschlaf auf, wirft den Mülleimer beiseite, als wundere er sich ohnehin, was der in seinem Arm macht, und stellt sich, riesig wie ein Troll, dem PärZu in den Weg. Die Poren auf seiner Nase sind vom vielen Suff bereits so riesig geworden, dass seit geraumer Zeit, von Bodo unbemerkt, kleine Wesen darin leben. Sie stehen in den Öffnungen wie in großen, alten Felsenhöhlen.
    »Wir trinken, weil wir es können!«, teilt Bodo dem PärZu lautstark mit, und die Porenwesen müssen sich an den Rändern festhalten, weil die Höhle so zittert. Das Paar lehnt sich angeekelt zurück.
    Felix hebt die Hand und deutet quer über die Straße zu einer Imbissbude.
    »Da ist der Muskelmann!«
    Er rennt los, der kläffende Köter, ein schnapsgetriebener Wutwicht. In der Tür der Imbissbude dreht sich ein kolossaler Südländer um, eher Samson als Muskelmann. Der kleine Feigling bremst kurz vor dem Bürgersteig ab, bleibt einen Augenblick stehen, hechelt hektisch und macht dann wieder kehrt.
    »Hab mich vertan«, sagt er, während Bodo weiterhin das Pärchen mit Zukunft anstarrt und das Bier in den Kopfschläuchen blubbern lässt.
    »War doch nicht der Muskelmann …«
    Ole grinst glücklich, schwankt in die Bude, kauft sich noch eine Bratwurst auf Vorrat und genießt die Blicke der Umstehenden, als er sie, statt sie zu essen, erst mal fein säuberlich auf den Zinken an seiner Schläfe platziert.
    Merke ➙ Die Güte des Abends bemisst sich unter Komasäufern am Grad der Sinnlosigkeit ihrer Handlungen. Da diese mit zunehmendem Pegel automatisch zunimmt, ist aus ihrer Sicht im Prinzip jeder Abend ein Kracher.
    »Wir sind zwei Stunden drüber«, sagt Felix panisch. »Zwei Stunden!«
    Er hat zwölf neue kleine Fläschchen an der Tankstelle gekauft und reiht sie nun auf einer kleinen Mauer nebeneinander auf. Stoisch beginnt er, sie Pulle für Pulle in seinen Körper zu kippen. Bodo liegt flach wie ein alter, vermooster Baumstamm vor der Mauer und schläft. Ole hat die Wodkaflasche leer und seinen Tunnelblick bekommen. Er sieht weiterhin scharf, aber nun nur noch Anja. Ihren Haardutt und den BH-Träger auf der Schulter. Die kleinen Mauerflaschen leeren sich im Sekundentakt. Nach der zehnten fällt Felix in Ohnmacht. Ole drückt die Kurzwahltaste auf seinem Telefon, auf der die Freunde in Weiß gespeichert sind. Es war unnötig, dass Felix sich so beeilt hat. Ihren Rekord hatten sie heute Nacht, wie Felix ganz richtig gesagt hat, ohnehin um zwei Stunden überboten.
    Merke ➙ Beim Komasaufen ist die Frage nicht, ob , sondern nur wann der Krankenwagen den Abend beschließt. Die Geschwindigkeitsrekorde bis dahin werden gewissenhaft festgehalten.
    »’n Abend, Sebastian«, sagt Ole

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