Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
Vereinswappen von Borussia Dortmund. In der Anlage läuft »No Woman, No Cry« von Bob Marley. Das passt zwar gut zur Biersorte, da Brinkhoff’s seit jeher einen Hauch von Hanf an sich hat, aber es ist doch fraglich, ob sich Stripperinnen zu altem Reggae ausziehen. Ulf, Boris und Jörg stehen haltlos wie markenlose Dübel im Raum, als Alexander »Jetzt geht es los!« ruft.
Ulf hält sich die Hand vor die Stirn.
»Ich hab doch gesagt, ich will …«
Alexander betritt den Raum mit einer Großpackung Klopapier, einer Stange Negerküsse, die heute Schaumküsse heißen, und einem runden Plastik-Gebinde vom Asia-Markt, in dem in roter Soße seltsame Fetzen schwimmen.
»Was ist denn das?«, fragt Ulf.
»Das ist Kimchi. Koreanischer Kohl«, antwortet Alexander. »Den essen wir am Schluss. Als erstes machen wir Mumienwickeln!«
Jörg schaut um die Ecke, ob die Stripperin sich womöglich hinter dem Leergutkorb am Herd versteckt.
»Na los, kommt schon, wir bilden zwei Teams! Boris und Jörg gegen dich und mich«, sagt Alexander, öffnet die Klopapierrollen und beginnt, Ulf in chlorfrei gebleichte Zellulose zu wickeln. Das darauf folgende Schaumkusswettessen »mit den Händen hinter dem Rücken« vollzieht er mit nicht weniger Enthusiasmus.
Während Jörg seinen Schädel nach vorne klappt und zwei Sekunden später zuckerverschmiert wieder aus der Pampe zieht, erscheint eine Nachricht von Svenja auf seinem Handy:
Na? Hockst du auf der »harmlosen« Party schon als Schlittenhund im Geschirr vor der Domina fürs lustige Foto-Shooting?
»Heute Abend sind Frauen verboten!«, sagt Alexander, greift – den Kopf noch halb im Schaum – nach Jörgs Telefon und wirft es Lawrence als Kauknochen auf den Teppich.
Auf den Zucker folgt die Schärfe. Für die letzte Disziplin des Abends lösen die Männer die konkurrierenden Teams auf, denn der koreanische Kohl ist nur gemeinsam zu schaffen. Das Ziel lautet: »Der Eimer muss leer!«
Und diese Mission verfolgen die vier, getrieben von den zwei Kästen Meisterschaftsbier, mit einer Verbissenheit, die sie zuletzt in den frühen 90ern beim Vollenden von höllenschweren Videospielen an den Tag legten.
Stundenlang.
»Ich kann nicht mehr«, röchelt Ulf, als tiefe Nacht anbricht. »Das Zeug ist so ekelhaft. Ich halte den Fetzen nur vor mein Gesicht und das Sodbrennen fängt schon von der Kohl-Umgebungsluft an.«
»Klappe und rein damit!«
»Ich muss kotzen.«
»Dann nimm den Leergutkorb.«
Beim Korb bleibt es nicht.
Da »zwei Kilo« das kleinste Gebinde koreanischen Kohls im Asia-Markt darstellten, halten die Männer gegen 3:30 Uhr ihre Köpfe über jeden Behälter, den das Haus zu bieten hat.
Was sagt die Wissenschaft? ➙ Der koreanische Monogamiephilosoph Han Sing Koon führte das Verspeisen großer Mengen scharf eingelegten Kohls als Ritual für den Junggesellenabschied schon im Jahre 1834 ein. »Da Kimchi die wohl traditionellste Speise des Landes darstellt, die früher als Vitaminquelle für harte Winter in Tongefäßen im Boden eingelagert wurde, bindet der Verzehr den Verzehrenden zum einen an die Heimaterde zurück«, erklärt Prof. Ansgar Almer vom Institut für akkurate Asiastudien (IfaA) in Ansbach, »zum anderen soll die vehemente Säure und Schärfe kurz vor der Hochzeit sämtliche bösen Geister aus dem Körper treiben.«
Um vier Uhr hebt Jörg schwitzend und zitternd seinen Kopf über dem Waschbecken im Badezimmer und sieht sich im Spiegel die Rotzfäden an, die sich rot aus seiner Nase winden. Alexander keucht zufrieden über dem Wannenrand. Die Hälse brennen. Die Nasennebenhöhlen sind verätzt von aufgestiegener Soße.
»Ich sag doch … ein Junggesellenabschied muss eine Orgie sein«, japst Alexander und wischt sich mit den Resten vom Mumienpapier die Mundwinkel aus.
»Warum hast du uns dann doch nicht ins Pascha geschleppt? Oder eine Stripperin mitgebracht?«
»Hast du’s beim letzten Mal nicht bemerkt?«
»Was?«
»Ulf hat das eigentlich weggelassen.«
Jörg spürt, dass noch ein letztes Kohlstück hinauswill. Es klopft schon unten am Rachen an, aber er hält es zurück.
»Ihr könnt gerne einfach so vorbeikommen. Aber ich will keinen Junggesellenabschied. Das hat er gesagt, zum Schluss. Ohne eigentlich .«
Jörg schüttelt den Kopf.
Alexander schmunzelt, der verdammte Doktor.
Dann findet das letzte Kohlstück doch noch seinen Weg nach draußen.
•Der Junggesellenabschied
Alkoholpegel: ★ ★ ★
Drama: ★ ★
Erotik: ★
Spaß: ★ ★
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