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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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reicht.
    Gegenüber von Michaelas Stand präsentiert Bauer Furthmann historische Kartoffelsorten. Manche Knollen sind blau, oval und ein wenig verformt. Kinder hüpfen in Kartoffelsäcken um die Wette und fallen in den Stand mit Porzellan, der jedes Jahr von der örtlichen Fatalistin, Frau Frankenforst, betrieben wird, die förmlich darauf wartet, über Schäden klagen zu dürfen. Sie meldet ihren Stand extra früh an, um »die beste Position« zu kriegen, also mitten im engsten Nadelöhr, wo ihr bis zum Abend notgedrungen alles kaputt geschlagen werden muss. Die Familie des Steinmetzen organisiert einen »lebendigen Adventskalender« für die Vorweihnachtszeit. An jedem Dezembertag bis zum Heiligabend wird ein Haus im Dorf für alle sein Türchen öffnen und eine Überraschung feilbieten. Die Glühweintöpfe werden blubbern und die Kinder singen. Die Ridders wollen riesige Winter-Dias auf ihr Garagentor projizieren und dabei »Tubular Bells« von Mike Oldfield abspielen. Die Lindners tragen sich absichtlich für einen späten Termin ein, damit es kalt genug sein wird, den großen Rasen ihres Geländes zu fluten und für einen Abend als Eislauffläche freizugeben.
    Wer sich weigert, im Dezember sein Heim in ein Türchen des Adventskalenders zu verwandeln, wird drei Wochen vor dem Ereignis vom Dorfrat besucht …
    Was sagt die Wissenschaft? ➙ »Das soziale Ansehen eines westfälischen Dorfbewohners misst sich daran, wie lange und in welchem Radius zum Kerngeschehen er sich auf dem Kartoffelsamstag aufhält«, erklärt Professor Dietrich Dowidat vom Institut für dramatische Dörflichkeit (IfdD) in Davensberg. »Echte A-Klasse-Bewohner verbringen die gesamten sieben Stunden von 11 bis 18 Uhr in der Kälte zwischen den Ständen. Als Minimaloption reicht es allerdings sogar aus, den halben Tag einen Kilometer entfernt frierend und quatschend vor der eigenen Haustür zu stehen und die Geräusche des Fests nur in der Ferne zu hören. Entscheidend ist der dadurch demonstrierte Respekt vor der Bedeutung des Ereignisses, der manchen Eindringlingen von außen völlig abgeht.«
    Was für Idioten, denkt Michaela, als sie die zwei jungen Männer beobachtet, die sich über die historischen Kartoffeln von Bauer Furthmann lustig machen. Sie will auch hier weg, aus der Provinz, ja, aber solche Deppen dürfen trotzdem nicht einfach so die örtlichen Knollen verspotten.
    »Guck mal, Alter, die blaue Sorte hier sieht aus wie gequetschte Hoden.«
    Michaela schüttelt den Kopf und packt eine Dreierportion mit Apfelmus für Torsten Potthoff auf eine Schale, der Fotos für die Lokalzeitung macht. Die Typen gegenüber tragen Wollmützen mit aufgestickten Totenköpfen und Fischgräten und sind bereits um 12 Uhr betrunkener als alle Glühweingäste aus dem Ort. Sie lästern über das Fest. Über das Dorf. Über die Gemeinschaft. Neben ihren Augen bilden sich Lachfältchen, doch es ist ein giftiges Lachen. Die Fältchen sind gefüllt mit Salpetersäure. Spielt die Kapelle, hängen sie sich hinten an sie dran und laufen im Stechschritt zum Rhythmus, um die Bevölkerung über den faschistoiden Charakter von Marschmusik aufzuklären.
    Der eine allerdings, der mit dem dunklen Wangenbart, schaut immer mal wieder zu Michaela hinüber und verliert genau in dem Augenblick alle Boshaftigkeit und Betrunkenheit in seinem Blick.
    Flirtet er etwa? Der wuschige Wollmützenträger?
    Ehe Michaela sich diese Frage beantworten kann, taucht ein neues Gesicht vor der Theke auf. Freundliche Augen und dunkelblonde, dichte Haare, die in alle Richtungen fallen, als trotzten sie der Zumutung, im Leben nicht überall gleichzeitig sein zu können. Ein Britpopgesicht.
    Der gefällt Michaela besser als der wuschige Wollmützenträger mit seinen sarkastischen Freunden.
    Das Britpopgesicht fragt: »Entschuldigung. Können Sie mir sagen … äh … das Salz … also das Salz in der Kartoffel-und-Mehlmischung. Ist das Jodsalz oder normales Steinsalz?«
    O nein, denkt Michaela. Ein Zutatennachfrager.
    »Da kann nur meine Mutter im Restaurant Auskunft geben. Ich bekomme die Mischung hier fertig nach draußen geliefert.«
    »Hm …« – das Britpopgesicht presst die Lippen zusammen und dreht seine Augen nach links unten wie ein Junge, der überlegen muss.
    »Und das Öl? Ist das Sonnenblume oder Olive?«
    Michaela beobachtet über seinen Kopf hinweg, wie die Menschen zu tuscheln anfangen. Der Bauer Furthmann. Torsten Potthoff mit der Kamera auf der Brust. Kurt, dem immer noch

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