Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
Bierflasche in den Bastkorb, in dem die Verlobte neben dem alten Herd das Leergut gesammelt sehen will, und drückt an der Espressomaschine den Knopf für den Kaffee.
»Sie haben noch kein Küchenfenster, aber schon einen Vollautomaten …«, murmelt Boris.
Zehn Sekunden später steht Ulf mit einem großen Becher heißer Plörre im Türrahmen, lehnt den Kopf ans Holz und sagt: »Wirklich, ganz ehrlich Jungs. Ihr könnt gerne einfach so vorbeikommen. Aber ich will keinen Junggesellenabschied.«
Merke ➙ Die meisten Männer, die für ihren Freund einen Junggesellenabschied planen, sind bereits selbst verheiratet. Oder in festen Händen. An die Prämisse, dass mit dem Eintritt in die Ehe auch das Leben endet, glauben sie selbst nicht, tun aber so, als ob.
Jörg steht mit seiner Freundin Svenja in der Küche und spült ab. Die beiden haben keinen Vollautomaten, dafür aber ein Fenster. Auf dem Teppich im Flur liegt ein Kater statt einer Dogge. Draußen raschelt der Ahorn.
Heute Abend findet bei Ulf wieder ein Treffen statt. In der Zwischenzeit, so hat er es gehört, sollen Boris und Alexander sich alleine getroffen haben. Das macht Jörg nervös. Es war anstrengend für ihn, bei Ulf unter der Baulampe am Esstisch den Begeisterten zu spielen. In Wirklichkeit hat er vor nichts mehr Horror als vor einem Besuch im Pascha oder einem Wochenendtrip nach Amsterdam, wo dann alle vier völlig zugekifft an fremden Schamlippen hängen müssten.
Boris würde alles mitmachen, was Alexander beschließt. Aber: Würde Alexander das wirklich tun? Der Vater und Arzt? Vielleicht gerade drum. Ärzte und Väter machen so was. Wie gut kennt Jörg ihn noch?
Das Handy vibriert, und Jörg öffnet die SMS. Svenja bemerkt schon im Augenwinkel, dass ihr Freund knallrote Ohren bekommt. Die Schweißdrüsen auf seiner Kopfhaut bilden augenblicklich ein Feuchtgebiet, aus dem seine Haare wie Mangrovenbäume herausragen. Svenja schaut ihm über die Schulter. Auf dem Display steht:
Heute Abend überraschen wir Ulf. Er hat sturmfrei und das wird bereits sein Junggesellenabschied! Keine Sorge, nur harmlose Spiele. A.
»Na toll«, sagt Svenja und knetet das Spültuch ein wenig zu fest. »Die Verlobte ist nicht da und geplant sind nur harmlose Spiele. Du weißt, was das heißt.«
»Ach, Schatz, bei Alexander heißt das gar nichts.«
»Tatsächlich?«
Jörg teilt Svenjas Skepsis. Immerhin hat er gerade vor lauter Nervosität einen Mangrovenschädel bekommen.
»Na ja«, sagt Svenja. »Dann sehe ich dich wahrscheinlich erst am Montagmorgen wieder.«
Merke ➙ Keiner würde es jemals zugeben, aber die meisten Männer haben panische Angst vor einem echten Junggesellenabschied. Sie haben niemals in ihrem Leben verruchte Sexorgien gefeiert und wollen auch jetzt nicht mehr damit anfangen. Sie wissen ganz genau: Gingen sie wirklich ins Pascha, würden alle in verschiedenen Räumen verschwinden und die Prostituierten dafür bezahlen, ohne ihre Beteiligung ordentlich Lärm zu machen. Oder noch schlimmer: Sie würden sich verpflichtet fühlen, tatsächlich aktiv zu werden, und mit der Ungeschicklichkeit eines Jungen, der aneinandergeknotete Winterfäustlinge trägt, in ihrer Hose nesteln, bis die Professionelle kopfschüttelnd aufsteht und mit den Worten »Alles muss man selbst machen« beherzt nach der Hupe greift.
Am liebsten wäre den Männern eine lange Nacht mit Bud Spencer & Terence Hill und einer Wanne voller Chicken Wings. Oder zwölf Stunden Halo 2 am Stück. Sie geben es nur nicht zu.
Den ganzen Hinweg zu Ulfs Haus dreht Jörg am Radioregler. Er sieht sich schon hinter Alexander in den gemieteten Bus steigen. Nonstop nach Amsterdam oder in den Kölner Hochhauspuff. Er denkt an Alexanders Töchter, zwei und vier, kleine Wesen mit schwarzen Zöpfen und großen nussbraunen Augen. Nein, beruhigt er sich, Alexander fährt nicht in den Puff. Aber eine Stripperin, die wird er engagiert haben! Vor allem, weil er davon nie gesprochen hat. Wovon Alexander nicht prahlt, das hat er schon bezahlt. Ulfs Verlobte ist außerdem nicht da. O Gott, es gibt bestimmt eine Stripperin. Sie wird sich auch auf Jörgs Schoß setzen, und Boris wird Fotos machen, auf dem sie ihm mit nackten Brüsten die Ohrläppchen abknabbert. Fotos, die Svenja schon morgen auf Facebook sieht. Jörg überlegt sich, ob er mit einem Mal eine Niereninsuffizienz bekommen könnte, aber das würde Alexander durchschauen.
Auf dem Teppich neben Lawrence stehen zwei Kästen Brinkhoff’s mit dem
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