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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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mehr schlafen. Jetzt spüre er, dass es damals falsch gewesen sei, seine Betroffenheit zu leugnen und so zu tun, als hätte ihn nichts erschüttert.
    Solchermaßen unterdrückte Betroffenheit kann sich in einen tiefen Winkel unseres Körpers und unserer Psyche zurückziehen, sie glimmt und gärt dort aber weiter und kann durch eine neue Belastungssituation plötzlich wieder aktiviert werden. Viele Menschen leugnen ihre Betroffenheit, weil sie dies als Schwäche empfinden. Gerade Männer tun sich damit schwer, sich selbst und anderen gegenüber Gefühle der Verletzung und Verunsicherung einzugestehen. Man muss so etwas »wegstecken« können, hart bleiben. Mit dieser Strategie fährt man jedoch selten auf Dauer gut. Im Gegenteil: Es reicht bereits eine eher kleinere Belastung aus (der Diebstahl des Handys), auf die der Betroffene scheinbar unangemessen heftig reagiert. Zugrunde liegt der nicht bewältigte psychische Druck aus der früheren Traumatisierung, der sich im Lauf der Zeit potenziert hat.
    Aus all diesen Überlegungen und Beispielen lässt sich ein wichtigerSchluss ziehen: Betroffenheit und auch das Entwickeln von starkenGefühlen wie Ängstlichkeit, Hilflosigkeit, Traurigkeit und Verunsicherung, einschließlich der dazu gehörenden körperlichen Symptomewie zum Beispiel Herzrasen, Verdauungsprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten und starke Angespanntheit mit Schlafstörungen sindnach einem außergewöhnlich belastenden Erlebnis etwas vollkommen Normales. Wir brauchen uns deswegen nicht zu schämen, diese Reaktionen haben nichts mit »Schwäche« zu tun. Wir müssen uns unsere Betroffenheit eingestehen, ihr für eine gewisse Zeit genügend Raum geben und uns ihr zuwenden. Das heißt nicht zwangsläufig, dass man einen Psychologen konsultieren und eine Psychotherapie beginnen muss. Man sollte aber dafür sorgen, dass man Gesprächspartner findet, mit denen man über seine Gefühle reden kann.
    Der erste Schritt in der Bewältigung traumatischer Ereignisse besteht also darin, sich einzugestehen, dass man betroffen ist und sich in einer Ausnahmesituation befindet. In dieser Zeit kann Normalität nicht ohne weiteres gelebt werden. Wenn wir diesen ersten Schritt nicht vollziehen, laufen wir Gefahr, unter Umständen Jahre später so von unserem eigenen System »ausgeknockt« zu werden, dass gar nichts mehr geht. Das Anerkennen der eigenen Betroffenheit ist letztlich wie der Moment des Innehaltens, wenn man gestürzt ist: eine Weile liegen bleiben, sich bewusst werden, dass man gefallen ist und sich wehgetan hat, und dann Kräfte sammeln, um wieder aufzustehen.
    Die Phase der Betroffenheit bedeutet vor allem am Anfang auch Unsicherheit. Man spürt, dass das Alte zerstört ist und keine Gültigkeit mehr hat, aber man hat auch noch keine Vorstellung von einer neuen Perspektive. Dieser Unsicherheit müssen wir uns zuwenden, wir können sie nicht dadurch überwinden, dass wir sie einfach negieren und versuchen, so weiterzumachen wie bisher.
    Gerade in dieser Phase sind Menschen unseres Vertrauens wichtig, bei denen wir uns verstanden fühlen und die ein offenes Ohr für uns haben, uns beistehen. Wir sollen und dürfen darauf vertrauen, dass diese Phase vorübergeht und dass sich uns danach wieder neue Perspektiven eröffnen werden. Denken Sie immer daran, dass alles im Leben seine Zeit hat:
    Es gibt eine Zeit der passiven Betroffenheit, in der man klagen kann.
    Es gibt eine Zeit des Übergangs, in der man Kräfte sammeln kann.
    Es gibt eine Zeit der aktiven Betroffenheit, in der man den Schaden bearbeiten kann, und es gibt eine Zeit, in der man eine neue Perspektive aufbauen kann.
Mutmacher 6
    Gestehen Sie sich Ihre Betroffenheit nach einem außergewöhnlichen Ereignis und die damit zusammenhängende vorübergehende Lähmung ein. Das ist die beste Voraussetzung für eine baldige Erholung und ermöglicht eine spätere aktive Krisenbewältigung.

10. Was Sie über Traumata wissen müssen
    Nun haben wir auf den vorangegangenen Seiten schon so viel über das Trauma gesprochen, dass wir uns im Folgenden ansehen sollten, was damit eigentlich gemeint ist. Der Begriff »Trauma« wird seit einigen Jahren inflationär und oft undifferenziert gebraucht. Man liest ihn im Zusammenhang mit schlimmen Gewalttaten, Massenunglücken wie bei der Love-Parade 2010, einem plötzlichen Todesfall in der Familie oder auch unberechtigterweise im Zusammenhang mit verlorenen Fußballspielen oder kleineren Unfällen.
    Nur bestimmte, sehr

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