Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
belastende Ereignisse können eine »posttraumatische Belastungsstörung« auslösen und nicht jeder, der etwas derart Schlimmes erlebt, entwickelt zwangsläufig diese Störung. Im Folgenden möchte ich den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erläutern, aufzeigen, welche Ereignisse wie häufig eine solche Störung auslösen, sowie die bislang bekannten Faktoren benennen, die das Auftreten einer Traumastörung begünstigen – und welche davor schützen können.
Von einem traumatischen Ereignis sprechen wir, wenn eine Person (1) mit dem Thema Tod, Todesgefahr, ernsthafter Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit konfrontiert wird und ihre Reaktion darauf (2) intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen ist. Es muss (3) ein außergewöhnlich schlimmes Ereignis sein, das außerhalb unserer sonst üblichen Erlebniswelten liegt. Der Tod des hochbetagten Großvaters etwa gehört schlicht zum Lauf des Lebens und nicht zu einem originär traumatischen Ereignis per definitionem, auch wenn er von den Angehörigen als tragisch empfunden wird.
Die Gefahr, eine Traumastörung zu entwickeln, besteht nicht nur beim direkten Opfer, sondern auch bei Personen, die zum Beispiel eine Gewalttat beobachtet haben, bei Helfern, die sich nach einer Katastrophe um die Opfer kümmern, oder auch bei Angehörigen, die durch Berichte oder Fernsehbilder mit dem Ereignis konfrontiert waren.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen zwei Arten von Traumata:
Von einem Typ-I-Trauma spricht man, wenn es sich um ein kurz dauerndes traumatisches Ereignis handelt, etwas Plötzliches, Überraschendes, Lebensbedrohliches. Es ist einmalig und zeitlich begrenzt. Dazu gehören Naturkatastrophen (zum Beispiel der Tsunami in Ostasien 2004), technische Katastrophen (zum Beispiel das ICE -Unglück von Eschede 1998), Überfälle, Unfälle oder gewalttätige Übergriffe.
Beim Typ- II -Trauma handelt es sich um länger andauernde traumatisierende Phasen, hervorgerufen etwa durch wiederholte Gewalteinwirkung, fortgesetzten sexuellen Missbrauch oder Misshandlung in der Kindheit, Geiselhaft, Folter oder Kriegserlebnisse.
Beide Arten können zu einer posttraumatischen Belastungsstörung ( PTBS ) führen. Diese liegt dann vor, wenn der Betroffene Symptome aus folgenden drei Bereichen aufweist: Die Person durchlebt das traumatische Ereignis immer wieder in Form von wiederkehrenden Bildern, Gedanken oder Träumen. Das Wiedererleben wird dabei oft als genauso real erfahren wie die eigentliche Traumasituation – mit Todesangst und körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Schweißausbrüchen, Zittern und so weiter. Die Person vermeidet zweitens Reize, die an das Trauma erinnern, zum Beispiel Gespräche, Gedanken, Aktivitäten oder Orte. Dahinter steht die Angst, die dann aufkommenden Gefühle nicht im Griff haben zu können. Und der Betroffene zeigt drittens Symptome von Anspannung und erhöhter Aktivierung, zum Beispiel Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Reizbarkeit.
Diese Symptomatik muss mindestens einen Monat lang bestehen. In der Phase vom traumatischen Ereignis bis zu diesem Zeitpunkt sprechen wir von einer »akuten Belastungsstörung«. Bei dieser beobachten wir die gleichen Symptome, gehen jedoch davon aus, dass es sich um eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis handelt, und viele Betroffene sich in den ersten Tagen oder Wochen von allein wieder erholen. Erst wenn dieser Zustand länger anhält, ist von einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen.
Manchmal treten auch Sonderformen der PTBS auf, etwa in Form eines verzögerten Beginns. Hierbei merken die Betroffenen nach einem traumatischen Ereignis zunächst keine Veränderung bei sich (oder gestehen sich diese nicht ein). Monate, teils sogar Jahre später trifft sie eine PTBS dann doch mit voller Wucht. Ein Auslöser kann sein, dass die Person durch ein anderes Lebensereignis schwer belastet wird.
Die Wahrscheinlichkeit, ein Trauma und in der Folge eine PTBS zu entwickeln, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend ist zunächst die Art der Katastrophe. Wir können diese grob in drei Ereigniskategorien einteilen, die unterschiedlich schwer verarbeitet werden können, also unterschiedliche Störungsraten nach sich ziehen. Am ehesten können wir eine Naturkatastrophe bewältigen, am wenigsten eine von Menschenhand verursachte Gewalttat. Technische Katastrophen liegen, was die Auslösung von Traumastörungen angeht, zwischen den beiden
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