Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
genannten Kategorien.
Während nach einer Naturkatastrophe nur bei ca. 5 Prozent der beteiligten Menschen eine PTBS auftritt, sind bei Unfällen und technischen Katastrophen zwischen 7 und 10 Prozent davon betroffen. Bei Vergewaltigungen indes tritt bei über 50 Prozent der Opfer eine PTBS auf. Nach Amokläufen in Schulen wie in Winnenden, Erfurt oder Meißen entwickeln ca. 35 bis 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine PTBS . Schwere Misshandlungen oder sexueller Missbrauch während der Kindheit (Typ- II -Trauma) ziehen bei 30 bis 35 Prozent der Betroffenen Traumastörungen nach sich.
Die Erklärung für diese unterschiedlichen Folgewirkungen liegt auf der Hand: Bei Naturkatastrophen sind wir erschüttert, wissen aber auch, dass wir dagegen nichts ausrichten können. Flutwellen und Erdbeben gibt es seit Menschengedenken, damit müssen wir uns irgendwie abfinden.
Eine von Menschenhand verursachte Gewalttat können wir nicht so leicht akzeptieren. Sie erschüttert unser Urvertrauen in ihren Grundfesten. Wir müssen erkennen, dass der Mensch nicht per se gut ist, dass es Personen gibt, die willentlich ihr zerstörerisches Potenzial entfalten und viel Leid über ihre Opfer bringen. Menschen, die ihre Liebsten durch Gewalttaten verloren haben, quälen sich oft über Jahre mit den Erinnerungen an die Tat: Sie hadern mit der Sinnlosigkeit und Willkür, entwickeln oft Rachegedanken, sind verzweifelt, wollen den Täter bestraft sehen und können nicht zur Ruhe kommen. Es fällt ihnen schwer, wieder Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen, in ihrem Gegenüber nicht automatisch den nächsten potenziellen Täter zu sehen.
Posttraumatische Belastungsstörungen sind nicht die einzigen psychischen Folgen nach einem Extremereignis. Es gibt eine Reihe von anderen Reaktionen wie zum Beispiel Depressionen, Angstzustände oder körperliche Beschwerden unterschiedlichster Art. Nicht selten führt ein Trauma bei den Betroffenen zu schwerem Suchtverhalten – Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch sind dabei am häufigsten. Die Gefahr eines Suizids steigt, die Belastungen für die Angehörigen sind oft erheblich. 70 bis 80 Prozent der Traumatisierten weisen eine oder mehrere dieser sogenannten komorbiden Störungen auf.
Risikofaktoren
Wenn wir uns die eben erwähnten Zahlen der traumatisierten Schüler nach einem Amoklauf noch einmal vergegenwärtigen, fällt auf, dass weniger als die Hälfte davon eine PTBS entwickelt hat. Das führt zwangsläufig zu der Frage, warum Menschen, die das Gleiche erlebt haben, unterschiedlich auf das Geschehen reagieren. Gibt es also gewisse Risikofaktoren, die das Auftreten einer Traumastörung begünstigen?
Tatsächlich gibt es verschiedene Untersuchungen, die genau diesen Verdacht bestätigen. Ob jemand ein Trauma entwickelt oder nicht, hängt von gewissen Merkmalen ab, die vor, während und nach dem Ereignis zum Tragen kommen.
Im Vorfeld bestehende Risikofaktoren
Generell unterliegen Frauen einem höheren Risiko für eine PTBS . Nahezu alle Studien bestätigen, dass sie nach einem traumatischen Ereignis etwa doppelt so häufig entsprechende Symptome entwickeln wie Männer. Das mag zum einen an einer entwicklungsgeschichtlich bedingten stärkeren Verletzbarkeit von Frauen liegen: Männer gingen auf die Jagd, waren kampferprobt, lernten, mit Gefahren umzugehen, während Frauen in erster Linie für die Aufzucht des Nachwuchses und die Versorgung des Hauses zuständig waren. Zum anderen dürfte eine Rolle spielen, dass Frauen eher bereit oder in der Lage sind, über ihren verletzten emotionalen Zustand zu sprechen. Bei der Beantwortung von Trauma-Fragebögen gestehen sie eher schwere Belastungen und Symptome ein als Männer, zu deren Selbstbild es häufig nicht passt, vermeintlich Schwäche zu zeigen.
Weiterhin wissen wir, dass diejenigen, die vor dem traumatisierenden Ereignis schon psychische Probleme hatten oder andere belastende Lebensereignisse bewältigen mussten, ein größeres Risiko haben, eine PTBS zu entwickeln.
Während der Traumatisierung bestehende Risiken
Hier ist zunächst der Schweregrad des Ereignisses ein Hauptkriterium. Je schrecklicher das Erlebnis, desto höher die Störungsrate. Allerdings gibt es dabei eine subjektive und eine objektive Seite. Zwei Menschen, die der gleichen Bedrohung ausgesetzt sind, können diese subjektiv ganz unterschiedlich wahrnehmen. Während die eine Person Todesangst empfindet, schätzt die andere die Situation, aus der sie zum Glück heil
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