Überman
Freunde.«
»Stimmt. Aber die drei sind halt noch da, wenn bei Facebook der Server abraucht.«
»Da wär ich mir nicht so sicher. Was machen wir denn jetzt? Haste ein Programm?«
»Ein Programm? Seh ich aus wie RTL ?«
»Gut, dann machen wir mein Programm. Ich brauch noch ein paar Sachen für die Reha übermorgen. Ich muss REWE , Apotheke und Abendessen.«
»Abendessen? Wir haben siebzehn Uhr!«
»Eben. Ganz normale Krankenenhauszeit. Und jetzt mach hin!«
»Wie? Mach hin?«
»Du kriegst schon noch was mit, oder?«
»Ja offenbar nicht!«
»Dann schau mich mal an, du Otto. In was sitze ich?«
»In ’nem Rollstuhl?«
»Gut. Und was hab ich in der linken Hand?«
»Ein Handy.«
»Und in der rechten?«
»’ne Kippe.«
»Na also. Und was könnte das jetzt alles zusammen bedeuten?«
»Dass ich den qualmenden Facebook-Junkie in den REWE schiebe?«
»Bingo!«
Gereizt und ungeübt im Umgang mit aggressiven Gehbehinderten, greife ich die klebrigen Plastikgriffe, aber offensichtlich schiebe ich Phil zu ruckartig an, denn der beginnt sofort dermaßen zu schimpfen, als hätte ich ihm eine Axt in den Rücken gehauen.
»Auauauauauaua! Warum tust du mir so weh?«
Eine Gruppe rauchender Bademantel-Tropf-Menschen am Eingang schaut erbost zu uns herüber.
»Er macht Spaß!«, beschwichtige ich und rolle Phil an kopfschüttelnden Mitpatienten vorbei Richtung Supermarkt. Natürlich geht die elektrische Tür zu langsam auf, und Phil knallt mit dem Fuß dagegen.
Sofort schreit er los. »Aua! Warum fährst du meinen Fuß gegen die Tür?«
»Entschuldigung!«
Im Supermarkt wird es noch schlimmer. Mit einem roten Korb auf dem Schoß lässt Phil sich an den Regalen vorbeischieben. Und egal, was ich mache – es ist immer falsch. Und mit jedem Fehler sinkt die Aussicht, dass ich auch nur einen Cent geliehen kriege von Phil.
»Hey! Bist du behindert? Die Goldbären von Haribo, nicht den Lakritzquatsch. Weiter. Stopp. Zurück. Da unten! Zwei Packungen! JETZT Kühlregal.«
Wütend drehe ich Phils Rollstuhl zu mir und gehe in die Hocke. » IN DEM TON schiebe ich dich keinen Meter mehr weiter!«
Eine attraktive Verkäuferin mit brünettem Pagenschnitt geht lächelnd an uns vorbei, bleibt neben uns stehen und sortiert irgendetwas im Regal. Phil nutzt die Gelegenheit, um sich vertrauensvoll an mich zu wenden. »Ich hab mir das überlegt mit dem Puff, Simon, aber ich möchte da nicht hin.«
Kurzer, irritierter Blick der Verkäuferin. Dieser miese Sack!
»Das ist doch Unsinn«, entgegne ich, »keiner wollte mit dir in den Puff!«
Wir haben jetzt die volle Aufmerksamkeit der Verkäuferin, die ihre Packung Bio-Cornflakes so in der Hand hält, als hätte sie diese gerade bei der Oscar-Nacht verliehen bekommen. Phil kommt leider erst richtig in Fahrt.
»Nein, nein, nein, nein, nein, du hast gesagt, nach dem REWE fahren wir schön in den Puff und lassen uns die Sacksahne absaugen, hast du gesagt, Simon.«
Er hat es geschafft. Die Verkäuferin lässt die Cornflakes fallen und flüchtet zu ihren Kollegen, ich rüttele stocksauer an Phils Rollstuhl. »Du hörst sofort auf mit dieser peinlichen Scheiße, oder ich lass dich einfach so hier stehen, einfach so, hörst du?«
»Nicht wieder schlagen, Simon, bitte!«, krakeelt Phil und windet sich wie ein mittelmäßiger Schauspieler, der einen Behinderten spielen muss. »Ich will nicht in den Puff! Ich will nur gesund werden, Simon Peters!«
» SCHREI ! MEINEN ! NAMEN ! NICHT ! HERUM !«, brülle ich, doch Phil kontert noch lauter und mit inzwischen recht gut gespielter Verzweiflung: » SAG NICHT KRÜPPEL ZU MIR , SIMON PETERS , SAG BITTE NICHT KRÜPPEL ZU MIR ! DAS TUT SO WEH !«
Das ist zu viel. Ich greife mir die Packung Cornflakes vom Boden und donnere sie auf Phils Kopf.
» JETZT HALT DIE FRESSE , DU KRÜPPEL !!!«
Die Packung platzt auf, und Phil sieht augenblicklich aus wie ein Chicken McNugget. Ich drehe mich um. Hinter uns steht eine Wand aus drei REWE -Verkäufern und starrt uns konsterniert an. Immerhin. Es hat gewirkt. Nahezu ehrfürchtig schaut Phil zu mir hoch und hält die Klappe.
»Phil, WAS genau geben sie dir?«
»Oxycodon, Tramal und Hydromorphon? Warum?«
»Nur so.«
»Bin ich komisch?« Phil macht das unschuldigste Gesicht der Welt. »Weil, wenn ich komisch bin, dann musst du mir das sagen.«
»Ja!«
»Versprich es!«
»Ich versprech es.«
»Und? Bin ich komisch? Verhaltensauffällig irgendwie?«
»Ein bisschen vielleicht.«
»Gut! Weil ich hab
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