Überman
Phils Rollstuhl aufs Pflaster, und schon mit dem allerersten Stein fängt er an zu singen, wobei das Ruckeln des Kopfsteinpflasters seine Stimme zittern lässt … LAUT erzittern lässt.
»Ich si-ng das Ko-pf-stein-pfla-st-er-li-i-i-i-i-ed, das Lied, das jeder Ro-o-o-o-o-llli liebt. Bin saugut drauf auch dank Trama-a-a-a-a-a-a-l … und mir ist alles scheißega-a-a-a-a-a-al!«
»Ist okay, lustiger Effekt, wir haben’s gehört«, seufze ich und halte an.
»Geil, oder? Voll am Vibrieren, die Stimme!«
»Na ja …«
»Schieb weiter!«
Weil mir nichts anderes übrigbleibt, tu ich ihm den Gefallen.
»Ich sing es stolz, ich sing es lau-u-u-u-u-u-t, weil sich das sonst ja keiner trau-u-u-u-u-u-t …!«
Ich bremse ab und drehe Phil zu mir.
»Hey!«
»Phil! Du machst wieder komische Sachen! Und das wolltest du doch nicht, oder?«, sage ich. Ein Fehler, denn Phil beginnt sofort laut zu weinen.
»Warum machst du mein Kopfsteinpflasterlied kaputt? Ich hab doch sonst nichts!«
» IST ! JA ! GUT !«
Während ich schiebe, versuche ich ruhig zu atmen und das Ende des Kopfsteinpflasters zu fixieren.
»Als Rolli sitz ich auf ’nem Thro-o-o-o-o-n und spritz mir selbst Oxycodo-o-o-o-n!«
Mit gepressten Lippen schaue ich, wie lange das Kopfsteinpflaster noch geht. In gut zwanzig Metern sollte ich es geschafft haben.
»Und yo … gib mir das Mikrofo-o-o-o-o-n, denn ich flieg komplett auf Hydromorpho-o-o-o-o-n!!«
Noch zehn.
»A-a-a-a-a-lle Ro-o-o-o-lll–i-i-iiiii-s nah und fe-e-e-e-e-rn haben Kopfsteinpflaster ge-e-e-e-e-rn! Oder, Simon?«
In genau dieser Sekunde rollen wir auf herrlich glatten Asphalt. Ich atme erleichtert auf.
»Ja Phil, so einen Straßenbelag haben alle Rollis furchtbar gern.«
» HAAAAAALLLLTTTT !!! Abendessen!«
Ich bin mir sicher, dass Phil sein Schnitzel absichtlich langsam isst. Und dass einem so viele Pommes gar nicht zurück auf den Teller fallen können, auch nicht auf Oxytramorphon.
»Gar nix mehr vom Spaßpräsidenten gehört die letzte Zeit«, schmatzt Phil beiläufig, während er gutgelaunt BILD auf seinem Handy liest.
»Phil, ich muss jetzt mein Auto noch holen bei Toyota.«
»Aber … du machst wieder mal ’nen Spaßtag für uns, oder, Simon? Die … äh … Tortenschlacht, das war nicht schlecht!«
»Ich mach mal wieder was, ja. Aber jetzt brauche ich erst mal ein bisschen Geld. Bin extra zu dir gefahren statt nach Hause mit der Bahn, um die Karte zu holen. Also, kannst du mir jetzt was leihen oder nicht?«
Für einen Augenblick hört Phil auf zu schmatzen und schaut mich fast erschrocken an. »Nein.«
»Wie? Nein? Warum denn nicht?«
Als hätten ihm die Pommes sämtliche Medis aus dem Körper gesaugt, ist Phil plötzlich ganz der Alte. »Weil ich keinen Bock habe. Du hast mich vier Wochen hier hocken lassen in Sankt Asi, und zwei Tage vor meiner Reha kommst du angeschissen, und statt zu fragen, wie’s mir geht und ob mein Knie verheilt ist oder ob du mich in die Eifel fahren kannst zur Reha, willst du dir Kohle leihen, nur weil du zu faul bist, deinen weißen, haarigen Hilfiger-Arsch in dein Poser-Penthouse zu fahren, um deine verschissene Platinkarte zu holen!«
»Okay. Erstens: Wie geht’s dir? Zweitens: Ist dein Knie verheilt und drittens: Soll ich dich in die Eifel fahren zur Reha?«
»Erstens: Beschissen. Zweitens: Nein. Drittens: Jetzt hab ich auch keinen Bock mehr!«
Vielleicht täusche ich mich auch, aber es ist nicht viel Liebe in Phils Formulierung. Ich stehe auf, stürze mein Kölsch runter und gehe raus. Man kann so eine Geschichte nicht ewig ziehen. Ich hab Phil ins Krankenhaus gefahren. Ich hab ihn besucht. Ich war sogar mit ihm einkaufen und essen. Beleidigen lassen muss ich mich nicht, zumindest keine ganze Stunde lang. Phils Rollstuhl im Eingang nehme ich mit, weil der nämlich dem Krankenhaus gehört und nicht Phil, weil wenn er Phil gehören würde, dann stünde ja hinten »Nachtragender, gehässiger Wichser« drauf und nicht »Eigentum St. Vizenz-Hospital«.
Schon wegen Phils großartigem Gesicht lohnt sich die Sache mit dem Rollstuhl. Und natürlich wegen der hundert Euro Pfand, die ich von der netten Schwester Erika in bar ausgezahlt bekomme, obwohl ich das Leih-Formular verbummelt habe.
»Das Wichtigste ist ja, dass Ihr Freund wieder laufen kann«, lächelt sie sanftmütig.
»Absolut, Schwester Erika!«, antworte ich und gebe noch fünf Euro Trinkgeld für die Kaffeekasse.
»Danke, Sie sind ein guter Mensch.«
»Ich
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