Überman
bitte. Ich brauch Hilfe!«
»Schau mal unter www.psychotherapiesuche.de!«
»Hilfe von DIR ! Was soll ich machen?«
»Also gut. Wie du willst. Vielleicht wäre es ja ein Anfang, wenn du dich mal fragst, wie es den anderen so geht.«
»Warum sollte ich mich so etwas fragen?«
»Damit die anderen nicht den Eindruck haben, sie wären dir scheißegal?«
»Haben sie das?«
»Na ja … seit einem halben Jahr arbeite ich an der Eröffnung von diesem Kochclub hier. Hast du mich mal irgendwas gefragt dazu?«
»Na ja … er war ja noch nicht offen!«
Paula schüttelt sich und zieht ihre Kapuze hoch. »Da! Du machst es schon wieder!«
»Was mache ich wieder?«
»Versteckst dich hinter ’ner Mauer aus Witzen, und ab und zu schleuderst du mal einen Gag rüber mit deiner Kalauerkanone. Mensch, Simon, schieß doch mal ein Loch in die Wand, und wer immer dann da drüben steht: Sag einfach mal was Nettes!«
»Ich hab eines in die Garage gefahren!«
»Und? Was Nettes gesagt danach?«
»Nein. Phil zur Sau gemacht.«
»Siehste.«
»Ich kann’s einfach nicht, Paula! Bitte«, flehe ich, »ich brauch einen Tipp, so wie früher. Weißt du noch, in der Sauna, wo du mir geholfen hast mit Marcia?«
»Oh ja! Wo du dich an der Saunadecke versteckt hast.«
»Das war aber nur im Film!«
»Stimmt.«
»Bitte, Paula. WAS ? SOLL ? ICH ? MACHEN ?«
»Klare Worte?«
»Ich bitte darum.«
»Es ist eigentlich ganz einfach. Du bist ein Arschloch! Und keiner ist gern mit einem Arschloch zusammen.«
»Das war’s?«
»Ja. Arschloch und fertig.«
Ich schlucke. Das war ja einfach. Aber auch deutlich. Also sogar ziemlich deutlich.
»Und … ich meine … also, ›Arschloch‹, gibt’s da vielleicht was von Ratiopharm?«
»Simon, du machst es wieder!«
»Stimmt«, nuschle ich und schaue zu Boden, »das war der verzweifelte Versuch, die harte Wahrheit ein wenig abzumildern.«
»Hat nicht geklappt.«
»Ich … bin aber kein Arschloch, Paula.«
»Komisch, hat keiner mitbekommen die letzte Zeit!«
»Aber – was soll ich denn machen?«
»Beweis es. Mach mal was für die anderen. Für deine Freunde. Und für Annabelle. Und nicht für dich! Und … vielleicht wäre es ganz gut, wenn es keine Tortenschlacht ist.«
Ich nicke, und für einen kurzen Augenblick stehen wir einfach nur so da, schauen durch die großflächigen Scheiben und lauschen dem nachhaltigen Geschnatter der Soja-Society.
»Mal was für die anderen?«
»Ja. Ich denke, du hast’s kapiert und … ich muss wieder rein. Was ist mit dir?«
Energisch schüttle ich mit dem Kopf. »Danke, nein, ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich gehen muss …«
»Versteh ich. Tut mir leid, wegen dem Arschloch, aber … du hast mich gefragt!«
Paula breitet die Arme aus, wir umarmen uns, und ich drücke mein Gesicht ganz tief in ihre blaue Kapuze.
»Danke, Paula! Und von wegen was Nettes und so: Sag doch dem armseligen Zapf-Clown an seinem Papp-Bierstand, dass sein Bier nicht nach Pisse geschmeckt hat, sondern echt gut!«
»Ich sehe schon«, grinst Paula, »du bist auf dem richtigen Weg.«
»Okay! Und es heißt ›Tut mir leid wegen DES Arschlochs‹, nicht ›wegen DEM Arschloch‹!«
Auf dem Heimweg hallen Paulas Worte in meinem Kopf wie die Durchsagen eines betrunkenen Stadionsprechers. Ein feiner Nieselregen sprüht seine Verachtung auf mich herab. Da haben wir’s: sogar das Wetter hasst mich.
Bin ich wirklich so ein emotionsloses Monster? Eine soziale Blend-Schockgranate, der man besser nicht zu nahe kommt? Ein emotionaler Nichtschwimmer, der einzig und allein an sich denkt ohne die geringste Sorge für seine, gut, zugegeben, null Freunde? Nein. Ich bin kein Arschloch und ich weiß es auch. Und ich werde es auch beweisen, sobald ich meinen Arsch aus dem griechischen Finanzsumpf gezogen habe und die Sache mit der Bunker-Webseite läuft. Mein Handy vibriert. Es ist eine neue Nachricht.
Arschloch! Deine geheimen Spiele sind alle aus der letzten Sendung. Und ich Idiot schick dir noch den Bunker-Clip. Mach deinen Scheiß alleine, bin raus. Manni
Immer blasser wird die Nachricht hinter den winzigen Regentröpfchen auf dem Bildschirm. Ein Stadtbus mit einer überdimensionalen 30 C donnert grollend vorbei und schafft es gerade noch bei Gelb über die Kreuzung.
Ob sie wollen oder nicht
Noch drei Tage
Jetzt, wo mich offenbar sogar Manni für ein degeneriertes Stück sozialen Sondermüll hält, wäre es eventuell an der Zeit, dafür zu sorgen, dass mich
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