Überman
machen? Wütend knipse ich ein Foto von Phils Kühlschrank und der Müllermilch und sende es in die Eifel. Als nach zwei Minuten nichts passiert, rufe ich wieder an.
»Okay, was war falsch an dem Foto?«
»Woher weiß ich denn, dass das nicht irgendein Scheiß-Google-Foto von einem Kühlschrank ist?«
»Weil nicht mal Google Fotos von Kühlschränken mit Müllermilch auf Parkplätzen hat!«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Also lass dir was einfallen, damit ich sehen kann, dass der Kühlschrank bei dir ist!«
»Mann!«
Ich lege auf, trete gegen die Felge und knalle den Kühlschrank fluchend aufs Autodach, dass der Lack nur so wegspritzt.
»Vollspack-Nazi-Erpresser-Arschloch!«
Dann kaufe ich ein Kölner
Express,
steige auf’s Dach und setze mich im Schneidersitz neben den Kühlschrank. Ein Typ im Anzug kommt mit einem kompletten Wagen voller Wasserflaschen vorbei. Ich bitte ihn, ein Foto von mir zu machen.
»Ist das ein Gag oder so?«, fragt er mich.
»Ja«, sage ich, »so was in der Richtung. Sie sind nicht zufällig Banker, oder?«
»Doch!«
»Was sagen Sie zu den X-Scheinen? Sammeln oder egal?«
Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei, vier … und weggeschaut! »Kompletter Unsinn schon mal deswegen, weil der Euro nur dann funktioniert, wenn jeder Euro gleich viel wert ist.«
»Ich danke Ihnen!«
Ich bekomme mein Handy zurück und versende das Foto mit dem Satz
›Seit einer Stunde Gefangener von Phil Konrad.‹
Nach einer endlosen Minute, in der ich circa zehn Mal ums Auto tigere, macht es endlich KLICK , und ich kann die Autotür öffnen. Ich drücke den Startknopf, trete aufs Gas und steige augenblicklich wieder in die Bremsen. Mit zusammengepressten Zähnen und ohne zu atmen starre ich in den Rückspiegel: Hinter mir auf dem Parkplatz liegt Phils Kühlschrank.
Da die Kraft einer Peters’schen Schimpfwortkette zu schwach wäre, um meine unermessliche Wut zu mildern, drücke ich mit der linken Hand die Hupe und haue mit der rechten insgesamt vier Löcher in den Dachhimmel (gut verarbeitet, man kommt schwerer durch als bei meinem Toyota). Anschließend schalte ich die Stereoanlage auf volle Lautstärke. Mickie Krause singt begeistert: »Schatzi, schenk mir ein Foto, schenk mir ein Foto von dir. Schatzi, schenk mir ein Foto, nur so ein Foto wünsch ich mir …«
Ich prügle die Anlage aus und haue noch zwei neue Löcher in den Dachhimmel. Dann steige ich aus, knalle den angedellten Kühlschrank in den Kofferraum und gebe »Hilfe« ins Navi ein. Blitzschnell erhalte ich meine Route: 4 Stunden und 45 Minuten wären es bis zur Hilfegottesschachtstraße in Zwickau. Aber nur, wenn ich die A 4 nehme.
Mein Handy fiept, es ist neun Uhr und Zeit für ein Nickerchen. Ich kippe die Rückenlehne ganz nach hinten, schließe für eine Minute die Augen und liege 20 Minuten fluchend wach. Dann fahre ich zum Weinkeller.
The Final Drop
Noch 20 Wachblöcke
›Kaiken‹ ist patagonisch und heißt Wildgans. Die patagonische Wildgans, so die Infotafel, lebt auf beiden Seiten der Anden, also in Chile und Argentinien. Wie sie das macht, steht leider nicht dabei, vielleicht hat sie ja einen zweiten Wohnsitz aus steuerlichen Gründen.
In jedem Fall fand Winzer Aurélio Montes die chilenisch-argentinische Wildgans so beeindruckend, dass er gleich seinen Cabernet nach ihr benannte. Der Kaiken ist laut Infotafel ein Wein mit viel Struktur und Finesse, der saftig ist am Gaumen und wild in der Nase. Ein Wein mit Biss, bei dem einem das Herz aufgeht. Für mich ist der Kaiken in erster Linie ein Wein, der direkt neben dem einzigen Notausgang steht, den ich bisher im über tausend Quadratmeter großen
Kölner Weinkeller
entdeckt habe. Dass der riesige Weinkeller mit seinen dunkelroten Steinmauern ideal ist für meine Zwecke, wurde mir schon klar, als ich die insgesamt 78 Stufen ins Gewölbe hinabgestiegen bin. Ein Traum für Annabelle, und meine Freunde werden auch Augen machen. Bald schon werde ich all das hier fluten mit meiner Liebe, und dann wird mein wahrer Kern vor ihnen erstrahlen, und je heller und prachtvoller er das tut, desto mehr werden sie erkennen, dass sie sich in mir getäuscht haben.
Bitte diesen Ausgang nur im Notfall öffnen. Alarmgesichert!
, steht auf der braun lackierten Stahltür, und ich bin versucht, die Klinke zu drücken, lasse es dann aber doch, denn »Alarmanlage« und »nicht auffallen« hat noch nie wirklich gut zusammengepasst.
Es ist das erste Mal, dass ich alleine hier bin, also
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