Überman

durchschnittliche Geschwindigkeit auf der Autobahn messen wollte, dann wär mir ja auch egal, wer im Auto sitzt.
     
    Die einzelnen Indikatoren sind:
    Anzahl der Autos, die rückwärts am REWE parken (fünf Stellplätze)
Lagerbestand des beliebtesten Stromerzeugers bei Amazon
Abweichung der Magnetrinder im Park von der Nord-Süd-Achse (Tierverhalten)
Sekundenzahl Augenkontakt bei Frage nach in Deutschland gedruckten X-Euroscheinen (z.B.: Sparkasse Köln-Bonn)
Anzahl der im REWE verfügbaren CurryKing-Packungen
    Wie man sieht, machen mir die einzelnen Faktoren keine Probleme. Mein Problem ist die Formel an sich, d.h. die mathematisch korrekte Anordnung der einzelnen Indikatoren. In der Hoffnung weiterzukommen unterteile ich die Indikatoren in solche, bei denen die Angst steigt, wenn die Zahl niedriger ist, und andersherum. Also:
    Rückwärts parken. Je mehr Leute rückwärts parken, desto mehr Angst haben sie, sie möchten ja im Fall der Fälle schnell wegfahren. Hier haben wir einen positiven Angstwert, der oben auf die Formel gehört.
Lagerbestand Stromerzeuger. Je weniger Stromerzeuger zur Verfügung stehen, desto größer die Sorge der Leute. Negativer Angstwert.
Abweichung der beiden Magnetrinder von der Nord-Süd-Achse in Grad. Hier besteht die Problematik, dass es sich um zwei Magnetrinder handelt, ich muss also den Schnitt ermitteln. Dennoch: Je größer die Abweichung, desto mehr Angst haben die Tiere, was wiederum Menschen beobachten, die ebenfalls Angst bekommen.
Sekundenzahl Augenkontakt bei Frage nach in Deutschland gedruckten Euroscheinen: Je schneller die Dame am Schalter abbricht, desto wahrscheinlicher ist es, dass am Gerücht etwas dran ist. (→ Negativer Angstwert)
Anzahl der CurryKings im REWE . Dito: je weniger, desto schlimmer. (Angstwert negativ, wie Augensekunden)
    Es ergibt sich also folgende, erste allgemeine Formel zur Vermessung der Angst:

    Bleibt die Frage, wie ich die Maßeinheit des Ergebnisses nenne? Vielleicht ›Peters‹, weil es gut klingt und viel besser als ›Mayas‹? Oder DADA , wie › D ie A ngst D er A nderen‹.
    Ich entscheide mich für DADA . 3 , 8 DADA s auf der nach oben offenen Peters-Skala. Ein sympathischer Gedanke ist das mit der Peters-Skala, und ehrlich gesagt auch gar nicht anmaßend, denn immerhin habe ich die Formel zur Vermessung der Angst ja auch erfunden, während alle Unis dieser Welt jämmerlich versagt haben. Siebzehn Millionen an Fördergeldern, ja ticken die noch ganz richtig?
    So, jetzt hab ich aber echt genug geforscht für heute. Wenn ich nämlich Phils Auto bis zum Weltuntergang noch benutzen will, dann sollte ich vor Ende des Wachblocks  21 vielleicht seiner bescheidenen Bitte nachkommen und seine Sachen besorgen.

Zwickau
    Ganz sicher bin ich mir nicht, weil ich ihn ja nur im weißen Kittel kenne, aber so aufgeregt wie er mit seinen blondierten Resthaaren und der weißen Architektenbrille durch die Großmarkt-Regalschlucht flattert, da kann es eigentlich nur er sein.
    »Doktor Parisi?«, rufe ich, und als das hagere Männlein verschreckt in meine Richtung blickt, da weiß ich, dass ich richtig getippt habe. Nicht nur ich bin am Montag um kurz nach acht schon im Großmarkt, auch mein Hausarzt ist es. Als ich mich ihm nähere, packt Parisi mehrere, riesige Dosen mit Eintopf auf den Wagen und tut so, als stünde ich gar nicht neben ihm.
    Ich tippe ihn an. »Herr Parisi! Erkennen Sie ihn nicht?«
    Erschrocken dreht sich Parisi zu mir, er hat ein dickes Pflaster auf der Stirn und ein geschwollenes Auge.
    »Wen?«
    »Na ihn. Also mich. Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Entschuldigen Sie, aber jetzt müssen Sie mir kurz helfen, bitte.«
    »Sie haben ein dickes Auge und ein Pflaster!«
    »Ich meinte eigentlich, Sie müssten mir mit Ihnen helfen!«
    Jetzt bin ich ratlos. »Also er mit ihm?«, frage ich. Parisi mustert mich kurz, dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht und er beschreibt in Stirnhöhe einen kleinen Kringel mit dem Finger. »Ah! Ich kenn ihn doch. Er ist ein Patient, oder?«
    »Richtig! Sie haben ihm doch von diesem Überman erzählt, und den macht er jetzt! Schauen Sie, ich hab sogar Reißnägel!«
    Ich präsentiere einen 500 er-Pack Reißnägel, und mit einem Mal ist Parisi regelrecht erleichtert, offenbar ist der Groschen gefallen. » JETZT hab ich ihn. Den Überman. Natürlich. Der Autorenkollege! Er muss mich entschuldigen, aber außerhalb meiner Praxis, da bin ich sozusagen patientenblind.«
    »Und was ist mit Ihnen