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Überman

Überman

Titel: Überman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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werfen.
    »Wie viele Leute brauchen Sie denn noch?«
    »Damit es stattfindet? Also noch mindestens zwei.«
    »Und maximal?«
    »Noch neun.«
    »Nicht mehr?«
    »Wie? Nicht mehr? Neun kriegen wir ohnehin nicht mehr zusammen, wir haben ja schon Montag!«
    »Ich meine, können noch mehr Leute kommen als neun?«
    »Leider nur zwölf insgesamt, dann kriegen auch alle was mit und jeder kann Fragen stellen.«
    »Verstehe. Was ist mit Tieren?«
    »Tiere erlauben wir hier unten eigentlich nicht. Warum?«
    »Freunde von uns haben einen Wurm, der ist ihnen sehr wichtig.«
    »Tut mir leid. Keine Tiere, es sei denn, der Wurm hat einen Korb.«
    »Und … wie läuft so ein Seminar ab?«
    »Also wir starten um neunzehn Uhr und dann rechnen Sie mal drei Stunden drauf. Wir verkosten meist so um die acht Weine. Normalerweise rate ich immer, ohne Auto zu kommen, aber in diesem Fall ist es ja egal, weil die Welt untergeht«, lacht der Zwerg.
    »Stimmt!«, sage ich und überlege, wie ich an weitere Infos komme, »da haben Sie recht. Aber wenn das bis zweiundzwanzig Uhr geht, hat dann der Weinkeller überhaupt noch geöffnet, also offiziell?«
    »Warum, wollen Sie was kaufen danach?«
    »Ich frage mich nur, ob Ihre ganzen Kollegen warten müssen, bis das Seminar zu Ende ist.«
    »Die gehen nach Hause um acht. Zum Schluss sind nur die Sommelière da und die Gäste.«
    » WER bitte ist zum Schluss noch da?«
    »Die Sommelière. In Ihrem Fall wäre das Frau Herzog.«
    »Und wie sieht … – ich meine, ist sie … wie soll ich sagen … stark und kräftig?«
    »Sagten Sie nicht eben, Sie hätten eine Freundin?«
    »Absolut, ich finde nur, kräftige Frauen und feine Weine, also, da stimmt was nicht.«
    »Also, Frau Herzog ist nicht kräftig, sondern schlank.«
    »Aber nicht schwächlich?«
    »Nein, einfach nur schlank.«
    »Gut. Also dann nehme ich alle Plätze, die Sie haben für Ihre Weltuntergangs-Weinprobe.«
    Der Karottenkopf schaut mich verwundert an. »Sie buchen alle neun Plätze?«
    »Ja, gerne. Bitte. Danke. Neun Mal Final Drop mit Sommelieuse. Danke.«
    »Wenn Sie mich kurz entschuldigen – gleich wieder da!«
    Spricht’s und geht schnurstracks in Richtung des großen Lastenaufzugs, den ich noch testen muss. Wo will er denn hin? Hab ich was Falsches gesagt? Ich überfall doch schließlich keine Bank. Egal. Nutze ich die Zeit, um meine Skizze des Weinkellers zu vervollständigen und den Handyempfang in Österreich zu testen. Und tatsächlich: Direkt am Lüftungsschlitz glimmt ein dünner Balken auf meinen Telefon auf. Ich rufe Phil an zum Test. Eine Scheißidee.
    »Wo bleibt denn mein Gepäck, du Otto?«
    »Deswegen rufe ich ja an. Ich bin unterwegs!«
    »Gut. Weil sonst …«
    »Ich weiß!«
    Nach fast fünf Minuten eilt der ehemalige Ikea-Verkäufer und Immer-Noch-Zwerg mit gespannter Miene und Weinflasche zurück zum Servicebereich. Immerhin, die Bullen hat er nicht dabei. Dafür ist er außer Atem.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber … weil ja das Seminar ohne Ihre Gruppe gar nicht stattfindet, hätten wir in Ihrem speziellen Fall eigentlich recht gerne eine Anzahlung.«
    »Warum bin ich denn ein spezieller Fall?«, frage ich verärgert.
    »Wie gesagt … weil Sie eine so große Gruppe sind und …«
    »An wie viel dachten Sie denn?«
    »In Ihrem speziellen Fall dachten wir an … die Gesamtsumme: 531  Euro.«
    »Also gut!«, knirsche ich und deute auf die Flasche Wein. »Ist der für meine Freundin?«
    »Genau. Ein Zwei-Zehner ›Vacqueyras Vieilles Vignes‹.«
    »Wie bitte?«
    »Das ist ein kräftiger, fruchtig-würziger Rotwein von der südlichen Rhône, aus mindestens sechzig Jahre alten Rebstöcken.«
    Fragend betrachte ich zuerst die Flasche und dann den Weinzwerg. »Und … dann ist der noch gut?«
    Schweigend fahren wir im Lastenaufzug nach oben zum Kassenbereich. Das, denke ich mir, war ein sehr erfolgreicher Wachblock. Der Keller ist nicht nur geeignet, ich hab sogar einen Wein für Annabelle und ein Weltuntergangsseminar am richtigen Abend. Der einzige Wermutstropfen ist, dass es gerade mal neun Plätze gibt. Mich eingerechnet sind es sogar nur acht.
    Ein bisschen ist es so wie das beim Atombomben-Planspiel im Bunker: Wen außer mir und Annabelle soll ich retten? Und wen muss ich schweren Herzens seinem Schicksal überlassen?

Dankbarkeitskarten
    Aufgeregt und müde zugleich sitze ich mit Stift und Notizbuch am Wohnzimmertisch, sauge eine Gauloise bis zum Stummel und starre auf die weltweit

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