Überman
die Scheiß Regalnummer zu vergessen!«
»Das wusste ich nicht, das tut mir leid. Wie kann ich Ihnen denn helfen?«
Er könnte mir helfen, indem er mir am 20 . 12 . sämtliche Schlüssel zum Weinkeller überlässt, alle übrigen Mitarbeiter in den Urlaub schickt und sich dann mit einem Dönermesser selbst zerlegt.
»Sie könnten … mir einen Wein empfehlen!«
»Für Sie selbst? Einen Begleiter für einsame Fernsehabende?«
»Ich hab eine Freundin jetzt!«, protestiere ich. »Sie heißt Annabelle und ist ziemlich hübsch!«
»Das heißt, der Wein ist für die Dame?«
»Genau. Es muss auch ein guter Wein sein, weil sie sich ziemlich gut auskennt, sie studiert nämlich bald Internationale Weinwirtschaft in Geisenheim.«
»Oh, das ist toll! Wissen Sie denn, welche Weine ihr schmecken?«
»Absolut!«
»Und in welche Richtung darf es gehen?«
»Rot!«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
»Rot?«
»Oder weiß. Weil wenn ich’s mir recht überlege, trinkt sie beides.«
Als hätte ich ihm irgendein Stichwort gegeben, verlässt der Weinzwerg mit mir zusammen das Verkaufsgebiet des Bordeaux in Richtung Südfrankreich. Ich habe Mühe, ihm zu folgen, und schließe meine Recherchefrage im Gehen an: »Hat man hier eigentlich irgendwo Handyempfang?«
»Wieso? Erwarten Sie einen Anruf?«
»Bin nur neugierig, so … tief unten.«
»In Österreich hat man Empfang, vermutlich wegen des Lüftungsschachtes.«
»In Österreich?«
»Da, wo die Weine aus Österreich stehen. So, wissen Sie denn wenigstens, ob Ihre Freundin eine bestimmte Rebsorte oder Region bevorzugt?«
»Klar, ich hab mir das extra gemerkt. Sie trinkt ziemlich gerne Wein von diesem ›Château‹.«
Seltsam. Der Zwerg sieht aus, als würde er durch mich durchschauen. Erst jetzt bemerke ich, dass wir vor einem weiteren Aufzug stehen. Ich muss wirklich aufpassen, dass mir solche Details nicht durch die Lappen gehen.
»Und … was für ein Château?«, fragt der Zwerg.
»Ja also, wie der mit Vornamen heißt, weiß ich jetzt beim besten Willen nicht mehr, aber, sagen Sie, funktioniert der Aufzug hier?«
»Nein, der ist stillgelegt. Aber … wenn Sie mir die Bemerkung erlauben: ›Château‹ heißt einfach nur ›Weingut‹.«
»Genau, von diesem Weingut«, bestätige ich und betrachte den Aufzug genauer. Macht wirklich nicht den Eindruck, als würde ihn noch jemand benutzen.
»Ich glaube, wir kommen so nicht wirklich weiter«, seufzt mein Stöpselverkäufer ratlos.
»Was schlagen Sie vor?«
»Dass ich einen Wein für Ihre Freundin raussuche und Sie sich ein bisschen einlesen in die Thematik. Ein Weinseminar wäre natürlich auch eine Idee.«
Ich merke auf. Da hat er recht.
»Wir bieten so was regelmäßig an.«
»Wann ist denn das nächste?«
»Am Donnerstag! Vielleicht ist das ja sogar ganz gut für Sie, weil es kein klassisches Weinseminar ist, sondern eher ein geselliges Beisammensein bei verschiedenen Weinen, mit einem Thema des Abends.«
»Klingt doch gut, was ist denn das Thema?«
»Weltuntergang.«
»Wie bitte?«
»Weltuntergang. Der Maya-Kalender, Sie wissen schon. Weil der zwanzigste ist ja direkt am Abend davor, und da haben wir uns gedacht, machen wir eine Weinreise durch die verschiedenen Orte, die was mit Weltuntergang zu tun haben.«
»Aber was … trinkt man denn da für Weine?«, frage ich.
»Einen Shiraz vom Weingut ›Allesverloren‹ aus Südafrika zum Beispiel oder einen Rosé aus der Heimat von Nostradamus.«
Ich bin begeistert. So ein Weinseminar wäre die Antwort auf so ziemlich jede Frage, wie um alles in der Welt ich Annabelle und meine Freunde hier runterbekommen soll am Vorabend des Weltuntergangs.
»Und … wie viele Plätze gibt es da noch?«, frage ich aufgeregt.
»Da muss ich nachschauen«, antwortet der Weinzwerg und bewegt sich zielstrebig zum Servicebereich, wo er sich vor einen Rechner stellt und ein Kalenderprogramm aufruft. Ich folge ihm.
»Ah!«, sagt er und kneift die Lippen zusammen, »da war ich jetzt ein bisschen voreilig, ›The Final Drop‹ findet vermutlich gar nicht statt.«
»Warum das denn?«, frage ich erschrocken.
»Weil sich nur drei Personen angemeldet haben bisher, und wenn es nur so wenige sind, dann findet es nicht statt. Schade eigentlich, weil wir fanden es ganz lustig, aber vielleicht konnte ja der ein oder andere mit dem Thema nichts anfangen oder es ist wegen dem üblichen Weihnachtsstress.«
Ich schlucke und versuche einen Blick auf den Bildschirm zu
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