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Überman

Überman

Titel: Überman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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schon, wann passiert’s denn endlich?
    Während der Zwerg irgendetwas von einer Reblausattacke im Napa Valley erzählt und Paula einwirft, dass das am Ende nur der Preis für die mit viel Chemie aufrecht erhaltene Monokultur sei, lasse ich meinen Blick über meine Freunde wandern. Manni blinzelt mich durch sein viel zu volles Weinglas an, er hat bisher jeden der fünf Weine inklusive Aperitif restlos ausgetrunken, vermutlich aus Angst, sich übermorgen zu blamieren bei
Schlag den Raab
.
    »Weltuntergangsstimmung also im Napa Valley und das wegen einer Reblaus!«, wiederholt der Zwerg und wir probieren den Wein. Er schmeckt wie Rotwein.
    »Prost, Simon, auf dass ich gewinne, obwohl du mich beschissen hast!«, ruft Manni mir von der gegenüberliegenden Tischseite rüber. »Veralbert!«, korrigiere ich, vielleicht weil auch Sarantakos aufmerksam geworden ist, der neben Manni sitzt. Ich bin erleichtert, dass meine Freunde offenbar nicht mehr wirklich sauer auf mich sind, aber natürlich ist »nicht wirklich sauer« etwas grundlegend anderes als »nachhaltig beeindruckt« oder »begeistert«. Und das werden sie sein, wenn nur endlich mal die Flasche …
    Ditters wird nicht müde, sich Notizen zu machen, vielleicht will er ja die kalifornische Reblaus verklagen. Er hat mich vorhin sogar kurz umarmt und findet’s sicher nett, dass ich ihn eingeladen habe, aber was denkt er tief in seinem Inneren? Was ist mit Paula, die ihren mitgebrachten Biowein schon fast alleine geleert hat? Was mit Evil La Boum, der beleidigt in seinem Körbchen pennt, weil sich keiner um ihn kümmert? Was ist mit Flik und Daniela, die sich am allerseltsamsten verhalten und bisher noch nicht wirklich was mitbekommen haben von der Weinprobe, weil sie entweder das Deckchen vom Wurm neu stopfen oder miteinander tuscheln?
    »Die Reblaus war also ein herber Rückschlag für den Weinbau im Napa Valley, aber sie war nicht der Untergang«, doziert der Zwerg und betrachtet sein Glas.
    »Wie heißt der Wein noch mal genau?«, fragt Phils Pfleger Sven, der offenbar als Ersatz für die türkische Apothekerin mitgekommen ist.
    »Ein 2004 Private Reserve Cabernet Sauvignon vom Weingut Beringer«, antwortet der Zwerg und reicht Sven die Flasche, der in diesem Augenblick bemerkt, dass ihn der komplette Tisch anstarrt.
    »Ich bin nicht traurig, ich seh immer so aus«, erklärt er, und Phil ergänzt völlig unnötigerweise: »Aber nur, wenn er nicht heult!«
    »Weingut Beringer«, wiederholt Ditters und notiert sich etwas und dann gibt es einen derart lauten Rumms, dass der Pulheimer Wurm zu schreien beginnt, Paula ihr Wasserglas umwirft und alle sofort durcheinander reden.
    »Jetzt passiiiert!«, schreit Lala und vergräbt ihr Gesicht in den Händen, als würde gleich die Decke einstürzen. Dem Weinzwerg gefriert indes das Gesicht vor Schreck: »Was war das denn?«
    »Was in die Luft geflogen!«, ruft Phil begeistert und versucht aufzustehen, doch Sven drückt ihn wieder runter.
    »Was in die Luft geflogen, sagt er!«, quiekt Manni amüsiert, der inzwischen seine Beachvolleyball-Brille aufgesetzt hat und sich vom Reblaus-Rotwein nachschenkt. »Kurze Pause bitte, ich muss da mal schauen«, unterbricht der Zwerg und verlässt die Schatzkammer.
    »Ich probier’s noch mal bei Annabelle«, verkünde ich und eile ihm hinterher.
    »Ach, ist hier doch Empfang irgendwo?«, ruft Sarantakos mir hinterher.
    »Direkt nebenan in Australien!«, lüge ich und folge dem Zwerg in Richtung Vorbereitungsküche. Im Abstand von gut zehn Metern passieren wir den Weihnachtsbaum in der Mitte des Gewölbes und biegen an der Loire links ab, wo ich kurz warte. Erst als ich ein »Ach, du große Scheiße!« höre, folge ich ihm weiter, und als ich dann vor der geöffneten Küchentür stehe, da weiß ich, dass Boning und Hoëcker nicht getrickst haben im ZDF : Der Raum sieht aus wie das Wohnzimmer von Mr. Bean, nachdem der einen Böller in einen Farbeimer gesteckt hat. Es ist einfach alles rot, sogar das in der Mitte des Raums liegende Mikrowellengehäuse. Nur der Zwerg ist weiß im Gesicht.
    »Ja, was ist hier denn passiert?«, frage ich, was leider so klingt wie der Auftrittssatz in einer schlecht ausgeleuchteten Low-Budget-Sitcom. Gott sei Dank ist der Zwerg zu erschrocken, um irgendetwas zu bemerken.
    »Ich hab keine Ahnung …«, stottert er kreidebleich.
    »Vielleicht ein Streich von Kollegen? Haben Sie … sind Sie beliebt hier?«
    Ratlos hebt der Zwerg das Gehäuse der Mikrowelle und

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